Seidenberg will verrückte Saison mit Stanley Cup krönen
Boston (dpa) - Seine Eishockey-Saison begann im Oktober in Mannheim und soll acht Monate später mit dem Stanley-Cup-Gewinn in Nordamerika enden. „Das klingt schon sehr verrückt“, sagt Dennis Seidenberg und muss lachen.
Der Nationalverteidiger steht nach 2011 zum zweiten Mal mit seinen Boston Bruins in den Endspielen der Profiliga NHL. Seidenberg könnte der zweite Deutsche werden, der nach Ex-Nationalcoach Uwe Krupp (1996 und 2002) die begehrteste Eishockey-Trophäe der Welt zweimal in seiner Karriere gewinnt.
Von Mittwoch an treffen die Bruins auf den Meister von 2010, die Chicago Blackhawks. Nach der in nur vier Spielen gewonnenen Halbfinalserie gegen die Pittsburgh Penguins um Superstar Sidney Crosby geht Boston selbstbewusst, aber nicht überheblich in die Endspiele. „Chicago ist wie Pittsburgh ein sehr explosives Team mit einigen Top-Stürmern. Wir müssen höchst konzentriert sein und unsere beste Leistung bringen, um erfolgreich zu sein“, betont Seidenberg.
Mitte September war das Saison-Finale für den 31-Jährigen aus dem Schwarzwald noch weit weg. Weil die Clubbesitzer sich mit der Spielervereinigung NHLPA nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen konnten, wurden die knapp 700 NHL-Profis vier Monate ausgesperrt. Wegen des Lockouts spielte Seidenberg für seinen Ex-Club Adler Mannheim in der DEL und kehrte erst Mitte Januar nach Boston zurück, als sich Eigner und NHLPA endlich einig geworden waren. „Anschließend mussten wir fast jeden zweiten Tag spielen, es war eine harte Saison“, sagt Seidenberg. Genug Kraft für mindestens vier und maximal sieben Partien hat er aber noch.
Seidenberg kommt auch eine Schlüsselrolle zu. Anders als Krupp, der bei seinem zweiten Stanley-Cup-Sieg gerade einmal sechs Saisonspiele absolviert hatte, ist Seidenberg in seiner zweiten Finaleserie erneut ein Fixpunkt in Bostons Defensive. In einer ersten Finalvorschau wurde Seidenberg auf der Internetseite der NHL als „einer der am meisten unterschätzten Verteidiger der Liga“ bezeichnet. Zusammen mit Kapitän Zdeno Chara bildet der Deutsche die erste Verteidigungsreihe und soll die Kreise der Blackhawks-Topstars Jonathan Toews und Patrick Kane entscheidend einengen.
Dass Boston zum 19. Mal nach dem Stanley-Cup greift, schien am 13. Mai noch völlig utopisch zu sein. Im siebten Match der ersten Playoff-Runde lagen die „Braunbären“ zehn Minuten vor Schluss gegen die Toronto Maple Leafs mit 1:4 hinten. Trainer Claude Julien stand schon vor dem Aus. Nie zuvor hatte ein Team einen derartigen Rückstand noch gedreht. Doch die Bruins schrieben Playoff-Geschichte, trafen zum 4:4 und Patrice Bergeron in der Verlängerung zum Sieg.
„Wir wollten als Spieler beweisen, dass wir zu gut sind, um in der ersten Runde auszuscheiden“, sagt Milan Lucic. Der Stürmer bezeichnete diesen Sieg als „Wendepunkt“ und behielt Recht. Von den anschließenden neun Spielen gegen New York und Pittsburgh gewann das Seidenberg-Team acht. Auch Chicago musste kräftig zittern. Im Viertelfinale gegen Detroit lagen die „Hawks“ nach vier Partien mit 1:3 hinten. Es folgten drei Siege und im Halbfinale das souveräne Weiterkommen in nur fünf Spielen gegen Titelverteidiger Los Angeles.
Für die Bruins ist ein solcher Finalgegner nichts Neues. 2011 stand ihnen in den Vancouver Canucks ebenfalls das Topteam der regulären Saison gegenüber - und Boston gewann die Serie 4:3. Von der damaligen Meistermannschaft sind 17 Profis noch dabei, Chicago kann auf acht Akteure zurückgreifen, die 2010 den Titel holten.
Neben Seidenberg steht bei den Bruins ein weiterer Europäer im Mittelpunkt: Superstar Jaromir Jagr. Der inzwischen 41 alte Tscheche erhält nach 1991 und 1992 die Chance, den Cup zum dritten Mal zu holen. „In den vergangenen 20 Jahren habe ich mir vor jeder neuen Saison das Ziel gesetzt, wieder um den Stanley Cup zu spielen. Jetzt endlich die Chance dazu zu haben, ist großartig“, meint Jagr.