Ente oder Ephedrin - Historiker kündigt Bericht an
Berlin (dpa) - Ente oder Ephedrin? Nach dem „Wembley-Tor“ und der Niederlage gegen England waren Deutschlands WM-Fußballer am 30. Juli 1966 richtig „verschnupft“, an Dopingtests oder gar Ephedrin- Missbrauch durch drei DFB-Kicker kann sich aber niemand erinnern.
Auch nicht Verteidiger Willi Schulz oder Torhüter Hans Tilkowski, die damals alle sechs WM-Spiele in der DFB-Elf bestritten. Deutschland hatte das berühmte Finale gegen den Gastgeber mit 2:4 nach Verlängerung verloren. „Das ist eine der größten Enten, von denen ich je gehört habe“, sagte Schulz der Nachrichtenagentur dpa. „Als ich das gestern im Autoradio gehört habe, wäre ich vor Lachen fast gegen den Baum gefahren. Das ist für mich völlig fremd“, meinte der 73-Jährige aus Norderstedt (Schleswig-Holstein). „Dass bei uns einer im Team Schnupfen hatte, das glaube ich auch nicht. Nur nach dem Endspiel waren wir etwas verschnupft, weil wir verloren hatten.“
Schulz' damaliger Mannschaftskamerad und heutiger Freund, Torhüter Hans Tilkowski, meinte: „Ich wusste damals noch nicht mal, dass es überhaupt Dopingkontrollen gab. Über Doping wurde bei uns und auch in der Bundesliga überhaupt nicht diskutiert.“
Dabei liegen jetzt neue Fakten auf dem Tisch. Wissenschaftler haben für ihre großangelegte Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute“ auch bislang unbekannte Dokumente über Missbrauchs- Praktiken im Fußball aus den 50er und 60er Jahren ausgewertet. Erste Ergebnisse sollen bis spätestens November veröffentlicht werden. „Für die erste Phase der Studie haben wir uns auch mit Dopingpraktiken im Fußball auseinandergesetzt“, bestätigte Projektleiter Prof. Giselher Spitzer von der Berliner Humboldt-Universität der Nachrichtenagentur dpa.
Die Berliner Historiker haben laut Berichten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) „belastendes Material“ entdeckt, unter anderem zu angeblichen positiven Dopingtests von drei deutschen Fußballern bei der WM 1966 in England. Der FIFA-Funktionär und -Mediziner Mihailo Andrejevic soll damals von der „Einnahme eines gewissen Ephedrinmittels“ berichtet haben - und zwar „bei der deutschen Mannschaft bei drei Spielern“. Die Namen oder die betreffende WM-Partie enthüllte der Jugoslawe aber nicht.
Ephedrin - ein Mittel gegen Schnupfen - stand damals auf der Liste der verbotenen Medikamente. Bereits 1963 hatte der Europarat Doping als Missbrauch zur Leistungssteigerung im Sport definiert und de facto verboten. Als erster Dopingsünder der WM-Geschichte gilt bisher Ernst Jean-Joseph aus Haiti, der bei der Fußball-WM 1974 in Deutschland suspendiert wurde.