1. FC Köln: Endlich seriöser Frohsinn
Warum beim Zweitligisten 1. FC Köln die zur Schau getragene gute Laune auch mal wieder etwas mit dem Fußball zu tun hat.
Köln. Wenn man als Fußballtrainer über die Maßen witzig sein will, sollte man erfolgreich sein. Stale Solbakken, der von 2011 bis 2012 in Köln gearbeitet hat, lebte diesbezüglich im Mangel. Witzig war er, der Norweger, immer für einen Spruch und einige Gelassenheit im Auftritt gut. Aber erfolgreich war er nicht. Unter dem Trainer Solbakken stieg der 1. FC Köln nach der vergangenen Erstliga-Saison zum fünften Mal seit 1998 ab. Genervt von Reibereien zwischen Trainer und dem unselig wirkenden Fußballmanager Volker Finke, zerfurcht vom Kult um seinen Star Lukas Podolski, um den sich herum ein Team versammelt hatte, dessen Egoismen ein Sittenbild des Kölner Fußballs darstellten: Ein Club, über den sich die Liga lustig machte. Hoch verschuldet, ohne Perspektive und reichlich heruntergekommen. Was blieb, sind Fans von Unerschütterlichkeit.
Keine zehn Monate später hat Holger Stanislawski einen guten Witz gemacht. Nach dem jüngsten 2:0 gegen Union Berlin hatte der Nachfolger Solbakkens ein Interview voller Ironie gegeben. O-Ton: „Alles, was Mist ist, werden wir einbauen.“ Die Mannschaft habe er „nie erreicht“. Wenn sie auf ihn gehört habe, „hat sie verloren“, wenn nicht, „gewonnen“. Sein Trumpf in dieser Sache: Stanislawski ist witzig und erfolgreich.
Einen wie ihn hatten sie in Köln noch nicht. Langsam muss die Clubführung um Präsident Werner Spinner und dessen Vize Toni Schumacher nicht mehr nur hoffen, einen Guten gefunden zu haben. Sie wissen es jetzt: Dass hier einer mit ganzem Engagement versucht, das zerfallene FC-Puzzle zusammenzufügen. Köln steht elf Spieltage vor Saisonschluss auf Rang vier, nur drei Punkte trennen den FC vor dem Auswärtsspiel am Sonntag beim Sechsten FSV Frankfurt vom Relegationsrang drei. Konsolidieren wollten sie sich, aufsteigen können sie nun. Es ist Frohsinn eingekehrt, aber er ist anders als in vielen Jahren zuvor ein seriöser Frohsinn. Das Konzept von Präsidium und Trainer, dem chronisch hyperventilierenden Klub Geduld und Nichterwartung einzupflanzen, scheint aufzugehen.
„Es kostet Kraft, das, was man selbst als normal empfindet wie Teamfähigkeit und Identifikation, zu vermitteln“, sagt Stanislawski, der 42 ist, aber vom Stress und den Zigaretten ziemlich aufgefressen aussieht. Aber er fühlt sich nicht so: „Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir eine Mannschaft haben, die sich mit dieser Aufgabe Umbruch identifiziert und diesen Weg mitgeht.“
Geplant ist die Rückkehr in die Bundesliga erst in der kommenden Saison. „Wir sind dabei, einen ganzen Verein zu drehen“, sagte der Trainer und warb stets um Geduld. Aber jetzt hat er die Mischung gefunden. Einst verhöhnte Routiniers wie Kevin McKenna und Miso Brecko führen ein Team von Talenten mit Potenzial, als hätten sie sich genau das immer gewünscht. Nach nur zwei Punkten aus den ersten sechs Spielen verlor Köln in den folgenden 17 nur noch einmal, seit elf Spielen ist man ungeschlagen. „Wir wollen konstant punkten und dann sehen, was am 34. Spieltag für uns herausspringt“, sagt Stanislawski, der sich jetzt einen Bart stehen lässt — bis die Punkte doch mal wieder an den Gegner gehen. Und dann sagte Stanislwawski noch: „Ich bin lieber der mit der Flinte als das Wildschwein.“ Irgendwie war Köln lange genug Wildschwein. Gejagt von sich selbst.