Andreas Rettig: St. Pauli statt DFL
Hamburg (dpa) - Andreas Rettig hat auf sein Fußball-Herz gehört und die DFL verlassen, weil er in den Vereinsfußball zurück wollte.
„Bei der DFL kann man keine Spiele gewinnen. Die Emotionalität eines Vereinslebens fehlt da. Das war ein wichtiger Grund, den Verband nach einer lehrreichen Zeit zu verlassen“, sagte der neue kaufmännische Geschäftsleiter des FC St. Pauli bei seiner Vorstellung in der Hansestadt. Dort möchte der 52-Jährige die erfolgreiche Arbeit von Michael Meeske fortsetzen, der nach mehr als zehn Jahren als Finanzvorstand zum Ligarivalen 1. FC Nürnberg wechselt.
Dass er sich ausgerechnet den zum Zeitpunkt seiner Zusage auch noch abstiegsgefährdeten Zweitligisten aus dem Hamburger Rotlichtbezirk als neuen Club ausgesucht hat, findet Rettig logisch. „Schauen Sie sich meine Vita an“, sagte er. „Mein Antrieb war immer, mich bei kleineren Vereinen einzubringen. Ich hatte vier tolle Jahre beim SC Freiburg, wo wir mit kleinem Geld Erfolge gefeiert haben. Auch beim FC Augsburg haben wir eine rasante Fahrt hingelegt“, schwärmte der einst bei Bayer Leverkusen groß gewordene Funktionär. Und hob immer wieder das „Wir-Gefühl“ hervor: „Das war schon immer so mein Ding.“
Da das Wir-Gefühl auch beim basisdemokratisch geführten FC St. Pauli groß geschrieben wird, könnte die für viele Beobachter überraschend zustande gekommene Beziehung passen. „Wir haben unseren Mut und unsere Frechheit zusammengenommen, um Andreas anzurufen“, verriet Clubchef Oke Göttlich augenzwinkernd. „Es waren sehr angenehme und vertrauensvolle Gespräche“, berichtete Rettig. „Hauptmotivation sind die Job-Zufriedenheit, die Lebensqualität und die Leute, mit denen man zusammenarbeitet“, fügte der ehemalige Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga hinzu.
Dass für ihn bei der Entscheidung Geld keine Rolle spielte, hatte er schon deutlich gemacht, als der Wechsel Ende Mai vom Club offiziell verkündet wurde: „Ich habe mich für das wirtschaftlich schlechteste Angebot entschieden, aber ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe.“
Was er beim Kiez-Club bewegen will, ließ Rettig vorerst offen. „Ich sehe mich nicht in der Rolle des Ankündigungsweltmeisters“, sagte er gewohnt sachlich. „Nach vielleicht 100 Tagen können wir sehen, was passiert ist.“ Dass er im Vereinsfußball und bei dem etwas anderen Club FC St. Pauli schon angekommen ist, hat ihm der Besuch am Sonntag beim 3:2-Heimsieg am Millerntor gegen Greuther Fürth gezeigt: „Am meisten hat mich fasziniert, dass dieses tolle Publikum am Ende auch dem Gast applaudiert hat. Das allein war das Eintrittsgeld wert.“