Ein Fußballer wird Arzt: Göhlerts außergewöhnlicher Weg
Heidenheim (dpa) - Tim Göhlert hat genug vom Profifußball. Mit 31 Jahren macht er Schluss damit und geht vom Sommer an seinem eigentlichen Wunschberuf nach.
Der gebürtige Chemnitzer tauscht das blau-rot-weiße Trikot von Zweitligist 1. FC Heidenheim gegen einen weißen Kittel und wechselt vom Rasen in die Praxis. Göhlert wird Arzt, sein Traumberuf. „Das wollte ich schon immer werden“, sagt er.
Berufsfußballer ist er nur auf Umwegen geworden. Parallel zum Studium hat er fast immer gekickt, sein Aufstieg begann aber erst mit dem Wechsel nach Heidenheim vor über zehn Jahren. „Schon als Kind habe ich alles mit viel Ehrgeiz gemacht. Ich wollte immer im Fußball und in der Schule gut sein“, berichtet er.
Göhlert, 1,90 Meter groß, blond, dienstältester Spieler beim 1. FC Heidenheim, spielt seit 2005 dort. Von der Oberliga bis zur 2. Bundesliga bestritt er über 300 Partien für den FCH, in Ulm studierte er zwölf Semester Medizin. Der FCH stieg immer weiter auf und Göhlert immer weiter mit. Eigentlich war er nur wegen des Studiums nach Baden-Württemberg gezogen.
Während der Prüfungen zum Staatsexamen habe er kein Training verpasst, erzählt sein Trainer Frank Schmidt. Er sei „vielleicht nicht der Prototyp eines Fußballers“, sagt er: „Er ist einer der wenigen, die nach ihrer Fußballkarriere nahtlos eine berufliche Karriere folgen lassen.“
Vielen Ex-Profis fällt dieser Schritt nicht leicht. Längst nicht alle werden erfolgreiche Trainer, Funktionäre oder Spielerberater. Kaum jemand findet einen Beruf außerhalb der Fußballwelt.
1,5 Prozent der Berufskicker haben einen Studienabschluss, wie eine Studie der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) im vergangenen Jahr ergab. 70 Prozent der befragten Spieler hatten Abitur oder Fachabitur, 14 Prozent eine Berufsausbildung.
Arzt wie Göhlert wurden wenige Spieler. Der ehemalige Nationalspieler Hans-Josef Kapellmann ging als Orthopäde mal nach Saudi-Arabien. Etwas kuriosere Karrieren nach der Karriere legten der Ex-Dortmunder Knut Reinhardt und der frühere Profi-Stürmer Nico Patschinski hin. Während Reinhardt Grundschullehrer wurde, arbeitete Patschinski zunächst als Paketbote und dann als Bestatter.
„Man sollte gehen, wenn es noch schön ist und bevor es weniger schön wird“, sagt Göhlert. In dieser Saison kam er bisher in elf Spielen zum Einsatz, oft nur in der Schlussphase. Für den Verteidiger war das hart, wie er zugibt: „Ich wollte nie mitgeschleppt werden.“
Aber auch seine zwei Kinder waren ein Grund für den Abschied vom Fußball. Als Profi habe man selten frei, wenn Geburtstage oder Hochzeiten gefeiert werden: „Meine Älteste ist jetzt sechs. Sie fragt manchmal: "Alle Väter waren dabei, warum meiner nicht?"“
Vom Sommer an wird er dann in einer Praxis in Heidenheim mitarbeiten, mit dem Ziel, sie in vier Jahren zu übernehmen und bis dahin den Facharzt in Arbeitsmedizin zu machen.
Ob es davor zu einem letzten Einsatz für den FCH kommt, ist nicht sicher. Nach dem Spiel gegen den VfL Bochum am Sonntag soll der Verteidiger zwar offiziell verabschiedet werden. Doch ein Abschiedseinsatz ist fraglich. Göhlert ist seit Tagen grippekrank.