Frankfurt-Fans ignorieren Strafe - DFB denkt um
Berlin (dpa) - Nach dem souveränen Sieg spazierte Heribert Bruchhagen über den Trainingsplatz des 1. FC Union Berlin hinter der Tribüne. Der Vorstandsvorsitzende des Fußball-Zweitligisten Eintracht Frankfurt wirkte entspannt, als er im Dunkeln mit der Familie telefonierte.
Für den Erstliga-Absteiger war es ein perfekter Abend: 4:0 in der Hauptstadt - Tabellenplatz zwei gefestigt. Doch der sportliche Aspekt geriet fast ins Hintertreffen. Denn rund 1000 Eintracht-Fans waren trotz Verbots durch das DFB-Sportgericht ins Stadion gelangt. Bruchhagens Konsequenz: „Wir müssen bei den konventionellen Strafen umdenken.“
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat bereits Konsequenzen angekündigt. Künftig wird der Kontrollausschuss nicht mehr beim DFB-Sportgericht beantragen, dass Fans bei Auswärtsspielen ihrer Mannschaft ausgeschlossen werden. „Bei uns ist wahrgenommen worden, dass die ausgesprochene Sanktion ihren Zweck nicht erfüllt hat“, sagte Rainer Koch, Vizepräsident für Rechts- und Satzungsfragen beim DFB in Frankfurt/Main. Er geht davon aus, dass das Sportgericht als unabhängiges Gremium diese Strafe auch nicht mehr nach Fanausschreitungen aussprechen wird.
Mitte der ersten Halbzeit waren mehrere Frankfurter Anhänger, die wegen Vorkommnissen im Spiel bei Fortuna Düsseldorf eigentlich ausgesperrt werden sollten, über den Zaun zum Gästebereich gestiegen. Als immer mehr Fans versuchten, dem Beispiel zu folgen, öffnete Union die Tore und ließ alle passieren. „Das war sicherlich nicht rechtens. Aber es war sehr besonnen. Union hat großartig reagiert“, sagte Bruchhagen in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Partie am Montagabend zeigte aber auch: Die Generation Ultra macht sich nichts aus den Strafen durch Richter des DFB.
„Wir haben es hier mit einer Jugendbewegung zu tun. Wenn einer in der 12. Klasse ein Stadionverbot bekommt, dann adelt ihn das in der Schule“, meinte Bruchhagen. „Wir können als Verein auch keine Gesinnungsüberprüfung bei unseren Fans vornehmen. Wir brauchen kluge Lösungen. Ich muss aber auch zugeben: Ich selbst habe sie auch nicht.“ Und genau da liegt das Dilemma der Vereine - und des DFB. Der Verband beriet hinter den Kulissen, wie zukünftig zu handeln sei. „Ich mache dem DFB-Sportgericht keine Vorwürfe. Wir sollten jetzt alle ganz unaufgeregt darüber sprechen und neue Lösungsansätze finden“, erklärte Bruchhagen.
Die DFB-Sanktionen machten die Fans sogar erfinderisch. So kauften Union-Anhänger für die Hessen die Eintrittskarten. Gemeinsam wurden während des Spiels Schmähgesänge gegen den Verband angestimmt - Plakate brachten zudem den Unmut über die Strafe zum Ausdruck. Frankfurts Sportdirektor Bruno Hübner meinte: „Man muss überlegen, ob das die richtigen Sanktionen sind. Kontrollen vor dem Stadion sind nicht möglich.“ Sein Chef ergänzte: „Das war doch heute ein wirkliches Fußballfest - friedlich mit einer tollen Atmosphäre. Man darf aber auch nicht vergessen, warum wir diese Strafe bekommen haben. Die Fans haben gesehen, es geht auch anders.“
Richtig gut läuft es für Frankfurt im Aufstiegsrennen. Nach dem vierten Sieg in Serie stehen die Frankfurter mit 58 Punkten weiter auf dem zweiten Platz. Mohamadou Idrissou (9. Minute), Erwin Hoffer (57.) und Alexander Meier (73./89.) stellten mit ihren Treffern den 17. Saisonerfolg der Eintracht sicher. Für die Berliner war es vor 16 589 Zuschauern im ausverkauften Stadion „An der Alten Försterei“ nach drei Spielen ohne Niederlagen dagegen die erste Pleite.