Fußball-Gewalt überschattet Fankongress
Berlin (dpa) - Die Massenschlägerei in Köln brachte sogar die Fan-Szene in Erklärungsnot, DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig reagierte bestürzt.
„Diese Vögel werden wir mit keinem Konzept der Welt einfangen“, erklärte der Spitzenfunktionär der Deutschen Fußball Liga (DFL) beim Fankongress in Berlin zur Randale am Rande des Testspiels zwischen dem 1. FC Köln und dem FC Schalke 04.
Dabei wurde am Samstag in der Kölner Innenstadt bei einer Prügelei zwischen rund 200 Anhängern ein Fan schwer verletzt und schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Inzwischen ermittelt eine Mordkommission. „Wir stehen hier hilflos. Das Problem ist, dass das Leute sind, die wir nicht erreichen“, meinte „ProFans-Sprecher“ Alex Schulz. „Das können wir absolut nicht gutheißen, wir sind schockiert.“
Bestürzt zeigte sich auch der 1. FC Köln. Der Zweitligist will die Strafverfolgungsbehörden nach besten Kräften bei der Aufklärung der Vorfälle unterstützen und stellte am Sonntagabend grundsätzlich klar: „Der 1. FC Köln ist ein Fußballverein. Es ist uns weder möglich, noch unser Ansinnen, die Verantwortung für kriminelle Schlägertrupps zu übernehmen, die den Fußball als Plattform nutzen, um Straftaten zu begehen. Wir sind nicht Komplizen, sondern Opfer dieser Leute.“
Sollten die Ermittlungen ergeben, „dass an den Gewalttaten Personen oder Gruppen beteiligt waren, die auch nur entfernt mit der Fanszene des 1. FC Köln in Verbindung stehen, dann werden wir alles in unserer Macht stehende tun, um diese Personen oder Gruppen aus dem Umfeld unseres Clubs zu entfernen“, betonte der Club.
Der Punkt „Fans als Sicherheitsrisiko“ sollte beim Kongress in der Hauptstadt eigentlich kein Thema sein, betonten die Veranstalter bei der Eröffnung. Rund 700 Anhänger bemühten sich in Berlin, dem Bild der Fans als Krawallmacher entgegenzutreten und aufzuzeigen, wie sich die aktive Szene den Fußball wünscht. „Wir haben die große Chance, die Dinge nun selbst in die Hand zu nehmen“, sagte Daniel Nowara, Vertreter der BVB-Fanabteilung und der Organisation „Unsere Kurve“ einleitend.
Doch nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen war alles anders. „Das ist die ungünstigste Situation, die jetzt eingetreten ist“, gab Nowara zu und distanzierte sich von den Zwischenfällen in Köln. „Nicht nur Sie als Fan-Vertreter, auch wir als Verbände erreichen diese nicht“, ergänzte Rettig.
Bevor sich der Vorfall verbreitete, hatten die Fan-Vertreter in Berlin ihrem Ärger über ein Schreiben des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger (SPD) Luft gemacht. Seine Absage auf eine kurzfristige Einladung zum Kongress hatte er für klare Worte genutzt. „Straftäter reisen quer durch Deutschland, provozieren auf dem Weg zum Stadion Krawalle und Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Gruppen“, las Jakob Falk von „ProFans“ aus dem für ihn klischeehaften und „erschütterndem“ Schreiben Jägers vor.
Seinen Organisationskollegen Sig Zelt empörte der Brief noch mehr. „Diese Worte, die er an uns richtet, sind eine Kampfansage“, sagte er. Der Innenminister setze Fans mit Intensivtätern gleich, gegen die in Zukunft noch härter vorgegangen werde, klagte der „ProFans“-Sprecher verstört und zitierte Jäger weiter: „Dazu gehört auch eine enge Zusammenarbeit mit der Justiz. Es muss uns gelingen, Gewalttäter dauerhaft vom Fußballgeschehen fernzuhalten.“
DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig reagierten wiederum auf die Veröffentlichung des Schreibens irritiert. Dies sei „gewöhnungsbedürftig“, kommentierte Rettig. Neben Rettig und Sandrock stellte sich auch der Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Hendrik Große Lefert, dem Dialog.
Fans rivalisierender Clubs tauschten sich in Berlin sachlich über Themen wie Vereinsstrukturen und Mitspracherechte aus. Emotional wurde über das eskalierte Verhältnis zur Polizei und Wege zu einem friedlichen Miteinander gesprochen. „Die Leute, die regelmäßig ins Stadion gehen, fühlen sich sicher. Wenn sie sich unsicher fühlen, fühlen sie sich unsicher, weil sie Angst haben, Opfer der Polizei zu werden“, behauptete Zelt.
„ProFans-Sprecher“ Schulz warnte vor einer Vorverurteilung der Anhänger. Die Fußball-Szene müsse differenziert betrachtet werden. Dafür plädierte auch der Sicherheitsexperte Helmut Spahn: „Es gibt nicht die Polizei, es gibt nicht die Fans, es gibt nicht die Ultras.“
Rechtsextremismus sollte im Fußball nichts zu suchen haben. „Sich klar gegen Rechts zu positionieren, ist selbstredend“, sagte Rettig. Als ein Schritt im Kampf gegen Rechts beginnt die DFL eine Kooperation mit der Aussteigerinitiative „Exit“. Der Leiter Fanangelegenheiten, Thomas Schneider, bestätigte am Sonntag einen Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) für die „ARD-Tagesthemen“. Die „aktive Fanarbeit der Vereine“ soll mit dem Projekt unterstützt werden, erklärte Rettig.