Muslimische Fußballer dürfen Fastenzeit brechen

Berlin (dpa) - Die Fastenzeit der Muslime fällt dieses Jahr fast in den kompletten August - genau in die Zeit des Bundesligaauftakts. Topform wird von den Profis verlangt, dabei dürfen Moslems in diesen Wochen tagsüber weder essen noch trinken.

Die Problemlösungen sind ganz individuell.

Für Muslime ist es eine Entscheidung zwischen eigenem Glauben und eigener Leistungsstärke: Mit Beginn des Ramadan dürfen Moslems laut dem Islam zwischen Tagesanbruch und Sonnenuntergang weder essen noch trinken - gleichzeitig verlangen die Fußballclubs in der heißen Phase vor dem Saisonstart aber körperliche Topform. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland sucht auch in der neuen Saison nach Kompromissen.

„Eine strikte Einhaltung des Ramadans ohne Rücksicht auf die körperliche Tätigkeit in der Arbeit zu verlangen ist eine Minderheitenposition, die der Islam so nach unserer Auffassung nicht deckt“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek am Dienstag der dpa. Für Fußballer bestünden Ausnahmen, sie könnten die Fastentage in der spielfreien Zeit nachholen. „Die goldene Mitte ist die Zukunft.“

Seit Montag (1. August) stecken Dutzende Muslime im jährlich wiederkehrenden Zwiespalt. Und jeder sucht sich seinen eigenen Weg: Franck Ribéry vom FC Bayern konvertierte 2002 zum Islam und fastet nur unter der Woche, nicht aber an Spieltagen. Prioritäten gesetzt hat Leverkusens Ömer Toprak: „Früher habe ich mich daran gehalten. Aber das ist jetzt nicht mit den Prinzipien des Leistungsfußballs vereinbar“, sagte der Deutsch-Türke vom Bundesliga-Vizemeister. Sein deutsch-marokkanischer Teamkollege Karim Bellarabi will die Fastenzeit später nachholen - so, wie es Mazyek rät.

Klar ist: Das Abwägen zwischen religiösen Pflichten und sportlicher Leistungsfähigkeit ist eine komplexe Sache. „Für viele Spieler und deren Familien ist es vor allem eine Gewissensfrage“, verdeutlichte Aiman Mazyek. Darf der Sport mehr wert sein als das, woran ich glaube? Kann es andererseits eine Alternative sein, seinen bestens bezahlenden Arbeitgeber und damit auch seine Mannschaftskollegen im Stich zu lassen? Fasten raubt kurzfristig Energie und Kraft, besonders die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme kann sich fatal auf die Leistungsfähigkeit auswirken.

Bereits vergangenes Jahr hatte sich der Zentralrat der Muslime mit dem Problem beschäftigt - und mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) Ausnahmen für Profis vereinbart. Zuvor hatte es beim Zweitligisten FSV Frankfurt mächtig gekracht: Die Hessen hatten drei muslimische Spieler abgemahnt, weil das Trio ohne Erlaubnis des Clubs auf einmal Essen und Getränke links liegen ließ.

Aus dem öffentlichen Theater, das den Frankfurtern im Herbst 2009 auch die ein oder andere Negativschlagzeile einbrachte, hat der Profifußball als Ganzes gelernt. Viele Vereinsvertreter geben sich kleinlaut oder sagen gar nichts mehr, keiner aber prescht mehr voran und geißelt seine Spieler für die simple Tatsache, dass sie fasten.

„Im Moment kenne ich keine Probleme und es gibt immer einvernehmliche Lösungen, wenn sie denn notwendig sind“, sagte ein Sprecher des aufstrebenden Europa-League-Vertreters Mainz 05. Hannovers Pressechef teilte mit, dass das Thema reine Privatsache der 96-Schützlinge sei. „Dazu äußern wir uns nicht.“

Dafür berichtete Tunay Torun von Aufsteiger Hertha BSC, in der Vergangenheit einmal fast ohnmächtig geworden zu sein beim Versuch, über Wochen zu fasten. „Da habe ich beschlossen, es nicht mehr zu tun. Umso größer ist mein Respekt vor den Spielern, die es wirklich durchziehen.“ Hamburgs Änis Ben-Hatira sei so ein Beispiel. Der 23-jährige Deutsch-Tunesier hat sich einiges vorgenommen: Denn die Fastenzeit dauert noch bis zum 29. August an, fast einen Monat.