Rauball: „Am Spielplan wird nicht gerüttelt“
Dortmund (dpa) - Die deutschen Fußballfans müssen sich nicht erneut auf eine Änderung des Bundesliga-Spielplans und eine weitere Aufsplitterung der Anstoßzeiten einstellen.
„Es wird die gleiche Spielplan-Struktur mit den bekannten Anstoßzeiten geben“, erklärte Reinhard Rauball mit Verweis auf die in der neuen Saison anstehenden TV-Rechteverhandlungen. „Darauf kann sich jeder einrichten - in beiden Ligen.“ In einem Interview der Nachrichtenagentur dpa äußerte sich der Liga-Präsident zu weiteren aktuellen Themen.
Die 50+1-Regel verhindert bisher, dass Großinvestoren die Macht in Bundesligaclubs übernehmen können. Martin Kind, Präsident von Hannover 96, wollte diese Regel kippen. Nun hat er einen Kompromiss vorgeschlagen, der Unternehmen den Einstieg bei einem Verein analog des Modells Leverkusen ermöglichen soll. Was halten Sie davon?
Reinhard Rauball: „Hannover 96 hat eine Umstellung seiner Anträge im Rahmen des schiedsgerichtlichen Verfahrens vorgenommen. Es wird nicht mehr der generelle Grundsatz angegriffen. Der Club strebt nunmehr eine spezifische Hannoveraner Lösung an, nämlich so behandelt zu werden wie Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg. Der Spruch des Ständigen Schiedsgerichtes steht aber noch aus.“
Ist damit die Abschaffung der 50+1-Regel vom Tisch?
Rauball: „Eine komplette Aufhebung wäre in der Bedeutung für den deutschen Fußball mit dem Bosman-Urteil vergleichbar gewesen. Wir haben nach dem Eindruck, den man im Rahmen der schiedsgerichtlichen Verhandlung mitnehmen durfte, nun die Zuversicht, dass der Kelch des kompletten Wegfalls der 50+1-Regel an der Liga vorbeigeht. Da der Auftrag der Mitgliederversammlung ganz klar die Erhaltung des Bestehenden war, haben wir aber auch bezüglich des umgestellten Antrags gefordert, die Klage abzuweisen.“
Und bis wann darf man mit einem Spruch des Schiedsgerichts rechnen?
Rauball: „Wir gehen davon aus, dass der Schiedsspruch noch vor der Mitgliederversammlung des Ligaverbandes am 20. September ergeht. Dieser Schiedsspruch ist für die Bundesliga wichtig, weil das Thema den Profifußball seit mehr als vier Jahren beschäftigt und die Vereine Klarheit bekommen sollen.“
Die DFL hat die Ausschreibung für die TV-Rechte für den Herbst angekündigt. Es gibt mehrere Modelle: Eines, das den Wegfall der Bundesliga-Berichterstattung in der ARD-„Sportschau“ um 18.30 Uhr am Samstag zugunsten einer Internet-Sendung um 19.00 Uhr vorsieht, und ein anderes, das dem bisher praktizierten Modell ähnelt. Welches bevorzugen Sie?
Rauball: „Derjenige, der ausschreibt, darf keine Präferenzen erkennen lassen. Fakt ist: In einer fairen Ausschreibung haben beide Szenarien eine faire Chance. Die DFL wird in Einklang mit den Vorgaben des Bundeskartellamtes transparent und diskriminierungsfrei ausschreiben.“
Würden Sie das Aus der Institution „Sportschau“ in Kauf nehmen?
Rauball: „Wir treten nicht an, um die Sportschau zu verhindern. Wir wollen einen fairen Wettbewerb für unterschiedliche Bieter mit ihren individuellen Geschäftsmodellen und Vertriebswegen. Erst müssen die Angebote auf den Tisch kommen, dann sind Ligavorstand und Mitgliederversammlung gefordert, eine Entscheidung zu treffen. Aber auch da gibt es keinen Automatismus, dass nur nach der Höhe der Angebote entschieden wird.“
Noch einmal: Die „Sportschau“ ist keine Heilige Kuh für Sie?
Rauball: „Es hängt auch maßgeblich an der ARD. Wir wollen keine neuen Räder erfinden, wenn dazu keine Notwendigkeiten bestehen. Aber so wie sich die ganze Welt dramatisch verändert, so verändert sich auch die Medienlandschaft. Genauso wie ich sage, wir müssen nicht das höchste Gebot annehmen, genauso sage ich: Es muss nicht zwingend das Gebot eines Senders angenommen werden, nur weil er in der Vergangenheit erfolgreich war.“
Wie sicher ist das Geschäft mit Sky? Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hat das Pay-TV in Deutschland relativ niedrige Abonnentenzahlen...
Rauball: „Sky ist ein verlässlicher Vertragspartner, der zu allen Terminen pünktlich bis überpünktlich die Raten bezahlt hat. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass sich das in Zukunft ändern könnte.“
Großaktionär bei Sky ist Rupert Murdoch, dessen Medienkonzern durch den Abhörskandal in England in Turbulenzen geraten ist. Fürchten Sie Auswirkungen auf die Bundesliga?
Rauball: „Die Problematik, die mit den Namen Rupert Murdoch und 'News of the World' verbunden ist, spielt derzeit vor allem in England und vielleicht in den USA eine Rolle, aber nicht in Deutschland. Murdoch hat viel in Sky Deutschland investiert, indem er Kapitalerhöhungen zu einem Zeitpunkt gezeichnet hat, zu dem manch einer das nicht erwartet hätte. Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland. Diese Fakten sind für uns entscheidend.“
Aus der letzten Vergabe der TV-Rechte wird die DFL bis 2013 rund 1,65 Milliarden Euro einnehmen. Gibt es da Steigerungspotenzial?
Rauball: „Die Bundesliga ist ein Premiumprodukt in Deutschland. Ein Produkt mit enormen Zuwachsraten in Bezug auf die Popularität in den vergangenen fünf, sechs Jahren. Klar ist aber auch, dass keine generellen Vorhersagen getroffen werden können. Die französische Liga zum Beispiel hat einen Rückgang zu verzeichnen, andere Ligen wie in England und Spanien haben einstellige Zuwachsraten. Es ist klar, dass eine Erhöhung angestrebt wird. Ich warne aber vor Träumereien.“
Ist eine weitere Änderung der Spielplan-Struktur zu erwarten, um mögliche Begehrlichkeiten der Rechtebewerber zu erfüllen?
Rauball: „Wir haben das Thema intern diskutiert, und es hat zu keinem Zeitpunkt einen Vorschlag gegeben, an der Terminplanung, wie sie bisher war, zu rütteln. Es wird also die gleiche Spielplanstruktur mit den bekannten Spieltagen und Anstoßzeiten geben. Da kann sich jeder darauf einrichten - in beiden Ligen. Da wird es keine Änderungen geben. Die Bundesliga hat derzeit fünf verschiedene Anstoßzeiten mit dem Samstag als Kernspieltag - dabei bleibt es.“
Welche Argumente sprechen dafür?
Rauball: „Zum Vergleich: Die Ligue 1 in Frankreich führt gerade sieben verschiedene Anstoßzeiten pro Wochenende ein, die Spanier diskutieren über neun. Damit gibt es dort keinen Kernspieltag mehr, eine Zusammenfassung wie die Sportschau oder eine Live-Konferenz ist also gar nicht mehr möglich. Ligaverband und DFL sind der Meinung, dass das zu weit geht und weder Clubs, Fans noch Sponsoren zuzumuten ist.“
Wie steht es um die Auslandsvermarktung der Bundesliga?
Rauball: „Das ist ein erfreuliches Kapitel. In der Spielzeit 2005/06 war die Liga bei zwölf Millionen Euro Einnahmen. In der kommenden Saison gehen wir mit ziemlicher Sicherheit auf 50 Millionen zu. Ein Ende der Steigerungen ist hier nicht absehbar.“
In der Saison 2012/13 soll das „Financial Fair Play“ der Europäischen Fußball-Union (UEFA) in Kraft treten. Kernpunkt der Regelung ist, dass die Clubs ausgewogen wirtschaften und die Ausgaben für Ablösen und Gehälter von Spielern die Einnahmen nicht übersteigen. Ist das ein Vorteil für die Bundesliga?
Rauball: „Wir glauben, dass damit eine neue Struktur der europäischen Wettbewerbe geschaffen wird und dass es eines Tag mal heißt: Es gibt Champions-League-Sieger alter und neuer Prägung. Da die Bundesliga auch in der Vergangenheit im Grundsatz für wirtschaftlich solides Handeln stand, müssen sich andere Ligen von ihren bisherigen Wettbewerbsvorteilen trennen. Das kann für die Bundesliga nur von Vorteil sein.“
Es heißt, Geld allein schießt keine Tore. Dem FC Chelsea ist auch mit den Millionen von Roman Abramowitsch der Champions-League-Sieg nie gelungen...
Rauball: „Geld schießt schon Tore, wenn das Geld richtig investiert wird.“
Kann eine Kontrolle der Financial-Fair-Play-Regeln garantiert und eine Umgehung durch Clubs verhindert werden?
Rauball: „Es ist das Verdienst von UEFA-Präsident Michel Platini, das Konstrukt gefördert und eingeführt zu haben. Aber es wird für ihn der Lakmustest sein, ob es auch so durchgezogen wird, wie es unsere Erwartung ist. Es nützt nichts, ein Konzept auf dem Papier zu haben, was de facto umgangen wird.“
Die Bundesliga ist in der Fünf-Jahres-Wertung der UEFA hinter England und Spanien auf Rang drei vorgerückt und hat nun wieder vier Champions-League-Plätze. Ist das ein Gütesiegel für die Liga?
Rauball: „Es bedeutet für die Bundesliga, dass der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit in Bezug auf die sportliche und wirtschaftliche Komponente platziert werden konnte. Die veränderte Arbeit der Clubs zahlt sich aus, auch durch die Einrichtung der Nachwuchsleistungszentren. Noch nie waren so viele junge Spieler in der Bundesliga Leistungsträger. Das alles wird dazu beitragen, dass wir diesen Platz nicht nur halten, sondern in einem durchaus überschaubaren Zeitraum den zweiten Rang im UEFA-Ranking angreifen werden.“
Was erwarten Sie von der Spielzeit 2011/12?
Rauball: „Wer vor der vergangenen Saison einen Tipp gewagt hätte, braucht sich um die nahe Zukunft finanziell keine Sorgen mehr zu machen. Dass Clubs wie Borussia Dortmund als Meister sowie Hannover 96 und Mainz 05 unter den ersten Fünf auftauchen, hat niemand auf dem Zettel gehabt. Das ist aber kein Einzelfall: Wir hatten in den letzten fünf Jahren vier verschiedene Meister.“
Wagen Sie einen Tipp?
Rauball: „Die Bundesliga ist so spannend wie keine andere Topliga in Europa. Deshalb ist es schwierig, Vorhersagen zu treffen. Bayern München ist sicher Topfavorit. Ansonsten bin ich davon überzeugt, dass Vereine wie Werder Bremen, Schalke 04, VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg, die in der letzten Saison enttäuscht haben, eine Renaissance erleben werden. Und wie fast immer wird eine Mannschaft überzeugen, die man nicht auf dem Zettel hat.“