Referees nehmen Abseitsmodifizierung gelassen hin
Grassau (dpa) - Mit großer Gelassenheit blickt die deutsche Schiedsrichter-Spitze auf die Modifizierung der Abseitsregel, die von der kommenden Saison an auch in der Bundesliga gilt.
„Das trägt zur Klarheit bei. Es ändern sich nur Nuancen, im Grundsatz bleibt alles gleich“, sagte Herbert Fandel, Chef der DFB-Schiedsrichterkommission. „Der mediale Wirbel war völlig unnötig“, konstatierte Fandel zum Start des alljährlichen Vorbereitungslehrgangs, zu dem sich die Bundesliga- und Zweitligaschiedsrichter noch bis zum Sonntag im oberbayerischen Grassau treffen - direkt am malerischen Chiemsee.
Mit der vom International Football Association Board im März beschlossenen Regelanpassung soll künftig verhindert werden, dass ein am Angriff unbeteiligter Stürmer einen Vorteil aus einer unglücklichen Abwehraktion des Gegners ziehen kann. In Zukunft sollen die Referees nämlich auch dann abpfeifen, wenn ein näher zum Tor postierter Stürmer durch eine kontrollierte Abwehraktion des Gegners in Ballbesitz gelangt. Bisher galt dies als passives Abseits, was dem Angreifer einen Torschuss erlaubte. Dieser Fall ist künftig nur noch dann gegeben, wenn sich der Abwehrspieler klar im Aufbauspiel befindet und ihm dabei ein Fehlpass unterläuft.
Neben dem klassischen Leistungstest (ein Lauf über zwölf Runden) im Saisonvorfeld und Athletikübungen hat der Deutsche Fußball-Bund für seine besten Referees deshalb jetzt verstärkt Videotrainings angeordnet. „Kurz und bündig“ werde das Thema abgehandelt, sagte Fandel - großen Umschulungsbedarf seiner Mannen erkennt er nicht.
FIFA-Schiedsrichter Deniz Aytekin sprach von einer „klareren Definierung“, die Regelanpassung werde „keine größere Herausforderung für uns darstellen“. Hellmut Krug, Schiedsrichter-Funktionär bei der Deutschen Fußball Liga (DFL), sieht einzig die Assistenten an den Seitenlinien vor etwas Zusatzarbeit. „Sie müssen ganz genau drauf achten, ob ein (abwehrender) Spieler zum Ball gehen will oder eben nicht; ob es eine eigenständige und bewusste Aktion ist.“
Mit Ausnahme der Abseitsfragen wird sich im Schiedsrichterbereich zur neuen Saison wenig ändern. Angedacht sei, bald jedem Referee auch einen persönlichen Coach zur Seite zu stellen, kündigte Krug an; schon jetzt sei pingelige Fehleranalyse wichtig: „Die Spiele werden in einer Form akribisch aufgearbeitet, wie das sicher kein Trainer mit seiner Mannschaft macht“, betonte er. Wie in der Vorsaison werden dieselben 22 Referees auch kommende Saison in der Bundesliga pfeifen, kündigte Fandel an. „Wir sind momentan der Meinung, dass das die richtige Zahl ist. Wir bleiben bei 22“, betonte er. Womit auch klar ist, dass die talentierte Bibiana Steinhaus mindestens ein weiteres Jahr auf eine mögliche Nominierung für die Beletage warten muss.
„Jeder Schiedsrichter in der 2. Liga hat eine Perspektive bei uns“, sagte Fandel. Entscheidend - auch bei Steinhaus - sei für die Zukunft „nicht die Tatsache, dass sie eine Frau ist, sondern allein die Leistung“, urteilte der 49-Jährige. Zu Steinhaus' internen Beurteilungen wollte er sich öffentlich gleichwohl nicht äußern.
Dafür darf sich auch die einzige Schiedsrichterin im deutschen Profifußball zur kommenden Saison auf mehr Geld freuen. Der erst 2012 eingeführte Grundbetrag wird von Juli an aufgestockt, wie der DFB schon im Mai bekanntgegeben hatte. „Das war ein wichtiger Schritt“, urteilte FIFA-Schiedsrichter Deniz Aytekin. Spitzenmänner wie der Bayer erhalten künftig einen festen Betrag von 60 000 statt bislang 40 000 Euro pro Saison, für all seine Erst- und Zweitligakollegen steigt das Fixgehalt ebenfalls „moderat“, wie Fandel kommentierte.