Rekordtrainer Möhlmann: „Auch im Schatten gedeihen“
Frankfurt/Main (dpa) - Am Sonntag wird Benno Möhlmann sein 420. Spiel als Zweitliga-Trainer bestreiten. Der 58-Jährige löst damit Uwe Klimaschewski als Rekordhalter in dieser Liga ab.
Im dpa-Interview spricht Möhlmann über die vielen Veränderungen im Fußball, seine Zeit mit Otto Rehhagel und auch über seinen Wunsch, noch einmal in die erste Liga zurückzukehren. Dort arbeitete der aktuelle Trainer des FSV Frankfurt bereits mit dem Hamburger SV und Arminia Bielefeld.
Was bedeutet Ihnen dieser Zweitliga-Rekord?
Benno Möhlmann: „Für mich zählt vor allem, dass ich jetzt seit 40 Jahren als Spieler und Trainer im Profigeschäft tätig bin und dass es in dieser Zeit nur wenige Tage gab, an denen ich nicht auf dem Platz stand. Das hat für mich schon eine gewisse Bedeutung. Dass man in dieser Zeit automatisch auf eine gewisse Anzahl von Spielen kommt, ergibt sich aber von selbst. Die 420 Zweitliga-Spiele - diese Zahl an sich - ist für mich nicht so entscheidend.“
Uwe Klimaschewski hat immer gern erzählt, einmal den Platzwart an den Torpfosten gebunden oder einem gegnerischen Fan eine Ohrfeige verpasst zu haben. Sind Sie ihm mal begegnet in Ihrer langen Karriere? Oder haben Sie sich einmal gedacht: Diesen Spieler würde ich jetzt auch gern an einen Pfosten binden?
Möhlmann: „Ich bin ihm mit Sicherheit mal begegnet, bin mir aber nicht sicher, ob das noch zu meiner Zeit als Spieler war oder ob ich ihn sogar einmal als Trainerkollegen getroffen habe. An einen besonderen Berührungspunkt oder ein besonderes Gespräch kann ich mich leider nicht erinnern. Und was seine Methoden angeht, habe ich auch schon einige schöne Anekdoten gehört. Aber die gab es in den früheren Jahren auch von anderen Trainern. Da haben sich im Profibereich noch ganz andere Dinge abgespielt als heute.“
Was hat sich im Fußball konkret verändert, seit Sie vor gut 20 Jahren beim Hamburger SV zum ersten Mal Cheftrainer wurden?
Möhlmann: „Die Dinge auf dem Platz haben sich gar nicht so wesentlich verändert. Die Anzahl der Trainer zum Beispiel schon. Früher hat der Cheftrainer alles alleine gemacht. Dann kam irgendwann ein Co-Trainer dazu, der dann auch das Torwarttraining mit übernahm. Mittlerweile hat man einen ganzen Stab von Experten um sich herum: einen zweiten Assistenten, einen Torwarttrainer, einen Fitnesstrainer und die Physiotherapeuten. Die Aufgabe eines Trainers liegt also nicht mehr nur darin, die Spieler zu steuern, sondern auch die anderen Trainer um ihn herum. Das Training ist dadurch viel individueller geworden.“
Wie haben Sie selbst sich verändert im Laufe dieser Jahre?
Möhlmann: „Es ist sicherlich sehr hilfreich, wenn man auf einen gewissen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Das gibt einem in schwierigen Situationen mehr Sicherheit. Aber auch für einen älteren Trainer ist es wichtig, dass er immer offen und modern bleibt und mit den Dingen mitgeht, die sich entwickeln. Man muss nicht alles bis zur Perfektion selbst verinnerlicht haben. Aber man muss bestimmte Dinge an seine Spezialisten weitergeben können. Wenn ich das nicht getan hätte in den letzten 10 bis 15 Jahren, dann wäre ich sicherlich nie auf diese Anzahl an Spielen im Profibereich gekommen.“
Würden Sie gerne noch einmal in der ersten Liga arbeiten?
Möhlmann: „Eines vorweg: Ich bin absolut zufrieden damit, in der zweiten Liga tätig sein zu können. Nach meiner Einschätzung gibt es in Deutschland vielleicht 50 sehr gute Arbeitsstellen für einen Fußballlehrer. Eine davon habe ich - und die habe ich in den letzten Jahren auch immer gehabt. Andererseits weiß ich genau, dass ich auch in der ersten Liga gut zurecht kommen würde. Und wenn sich diese Gelegenheit nochmal ergäbe, würde ich mich natürlich freuen.“
Halten Sie es für möglich, das auch mit einem Verein wie dem FSV Frankfurt zu schaffen? Der leistet vorbildliche Arbeit, steht aber selbst in der eigenen Stadt immer im Schatten der Eintracht.
Möhlmann: „Der Schatten ist nicht das Entscheidende. Denn wenn man seine Möglichkeiten richtig nutzt, kann man auch im Schatten gedeihen - und ab und zu sogar ein bisschen Sonne abkriegen. Was ich damit sagen will: Wenn man kontinuierlich arbeitet, kann man sich auch Schritt für Schritt verbessern. Und in der zweiten Liga sind die Unterschiede nicht so groß. Um aufzusteigen, braucht man sicherlich auch ein bisschen Glück. Aber noch wichtiger sind Kontinuität und der nötige Ehrgeiz. Und das ist beim FSV gegeben.“
Genau wie Thomas Schaaf oder Norbert Meier gehören Sie zu den vielen früheren Spielern von Otto Rehhagel, die heute ebenfalls Trainer sind. Hat Rehhagel Sie entscheidend geprägt?
Möhlmann: „Ich denke schon. Er war auf jeden Fall der Trainer, der mich in meiner aktiven Zeit am längsten begleitet hat. Da bleibt schon eine Menge hängen. Er hat den einzelnen Spielern zum Beispiel immer viele Freiräume gelassen. Seine Mannschafts- und Menschenführung haben mich schon sehr stark beeinflusst.“
Trotzdem war Ihr Verhältnis am Ende belastet. Nach der am letzten Spieltag verpassten Meisterschaft 1986 haben Sie als Kapitän von Werder Bremen Rehhagels Aufstellung ganz vorsichtig kritisiert. Mussten Sie auch deshalb, wie es heißt, den Verein später verlassen?
Möhlmann: „Es ist schon richtig - mein persönliches Verhältnis als Spieler zu Otto Rehhagel war ab diesem Moment anders. Unsere Gespräche waren von da an nicht mehr so innig, jedenfalls nicht mehr so intensiv wie noch in den Jahren zuvor. Zum Hamburger SV bin ich aber erst ein Jahr später gegangen, und das lag auch in erster Linie an meinen vielen Verletzungen. Otto Rehhagel war nicht so nachtragend, dass er mich nie wieder aufgestellt hätte.“
War diese Geschichte trotzdem Ihre erste persönliche Erfahrung damit, wie schnell im Fußball manchmal alles geht? Sie haben Ihre Familie nie an die Orte mitgenommen, an denen Sie Trainer waren und sind.
Möhlmann: „Solange meine Kinder kleiner waren, fand ich es immer gut, nicht da zu arbeiten, wo sie sind. Als Spieler habe ich bei Werder ja auch den Abstieg 1980 mitgemacht und dabei erlebt, wie die Kinder einiger Mitspieler in der Schule fertiggemacht wurden. So etwas ist meiner Familie zum Glück nie passiert. Als ich in den letzten Monaten meiner Trainerzeit beim Hamburger SV fertiggemacht wurde, haben meine Kinder in Bremen sogar Zuspruch bekommen. Nach dem Motto: Dein Vater soll doch froh sein, dass er dort bald weg ist. Der Hauptgrund, warum meine Familie immer in Bremen geblieben ist, ist aber ganz einfach: Als Trainer weißt du nie, wie lange du irgendwo bleibst.“