Torwart Tschauner: Vom Rippenbrecher zum Fußball-Gott

Hamburg (dpa) - Als Torhüter Philipp Tschauner zum ersten Mal in seiner Karriere zum Torjäger wurde, tickte er völlig aus. Mit weit aufgerissenem Mund raste er zur Südtribüne und warf sich den Fans des FC St. Pauli per Bauchklatscher vor die Füße.

„Das war Wahnsinn, ein einzigartiges Gefühl, unbeschreiblich! Sowas erlebt man sonst gar nicht in seinem Fußballer-Leben“, schwärmte der 27-Jährige, den die Anhänger prompt mit „Philipp Tschauner Fußball-Gott“-Sprechchören hochleben ließen. Goalgetter Marius Ebbers, beim Kiez-Club eigentlich fürs Toreschießen zuständig, konnte es kaum fassen: „Wie Tschauni den reingeköpft hat, das waren Gerd Müller und Jupp Heynckes in einem.“

Es war kein zum ersten April passender Scherz, als der Keeper beim Stand von 1:2 gegen den SC Paderborn in der 90. Minute mit erhobenem Zeigefinger nach vorne lief und Dennis Daube anzeigte, wohin der den letzten Eckball zirkeln soll. „Dann kriege ich den Ball auf die Birne und mach ihn rein“, meinte er nach dem glücklichen 2:2. Darauf gönnte er sich am Montagabend, der für ihn erst nach der Dopingprobe endete, ein paar Bierchen: „Ein paar Astras sind bestimmt im Kühlschrank.“

Tschauner schaffte es als fünfter Torwart der eingleisigen 2. Liga mit einem aus dem Spiel heraus erzielten Tor in die Geschichtsbücher. Als erstem gelang das 1984/85 Wilhelm Huxhorn (Darmstadt 98) per Abschlag über 102 Meter. Hans Wulf (Hannover 96), Stephan Kuhnert (Mainz 05) und Stefan Brasas (SV Meppen) waren ebenfalls Glückspilze.

Michael Frontzeck nahm seinen Schützling nach dessen Coup in den Arm. „Tschauni ist halt ein Klotz - und schwer zu verteidigen“, lobte der Trainer seinen Schlussmann lächelnd, obwohl er mit diesem selbst erst kürzlich schmerzhafte Bekanntschaft gemacht hat. Denn vor zwei Wochen waren beide in einem Trainingsspiel aneinandergerasselt, dabei brach sich Frontzeck drei Rippen und erlitt einen kleinen Einriss in der Lunge, der in einer sechsminütigen Nachoperation behoben wurde. „Philipp kann mir jede Woche eine Rippe brechen, wenn er dann immer ein Tor macht“, frotzelte der Ex-Nationalspieler, dessen Club nun ein ordentliches Neun-Punkte-Polster zu Relegationsplatz 16 aufweist.

Dank Tschauner, der den frisch erlangten Ruf als „Rippenbrecher vom Kiez“ trotz eines persönlichen Fehlers beim 1:2 schnell durch den Status als Tor-Held ersetzen konnte. Laut Fabian Boll hat der Mann, der ja eigentlich zwischen die Pfosten gehört, „im Training schon oft gezeigt, dass er einen hervorragenden Kopfball hat. Den hätte Marius Ebbers nicht besser 'reinmachen können“, befand der Kapitän.

Mit Hans-Jörg Butt kann Tschauner allerdings nicht mithalten. Der einst auch für den Hamburger SV tätige Keeper ist mit 26 Treffern der erfolgreichste Torwart-Torjäger der deutschen Fußball-Historie, traf aber „nur“ vom Elfmeterpunkt. Einem anderen Ex-Nationaltorwart machte es der neue St. Pauli-Star jedoch nach: Jens Lehmann traf für den FC Schalke 04 am 19. Dezember 1997 ebenfalls kurz vor dem Abpfiff per Kopf zum 2:2 gegen Borussia Dortmund. Es war das erste Feldtor eines Keepers in der Bundesliga. Dazu merkte Frontzeck grinsend an: „Bei Lehmann war das damals aber nicht so ein fantastischer Kopfball!“