Trainer-Aus Bayer Leverkusen feuert Heiko Herrlich
Leverkusen · Keine schönen Weihnachten wird vermutlich Heiko Herrlich haben. Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen gab am Sonntagmorgen die Entlassung des Trainers bekannt.
Herrlich blieb in 16 von 21 Spielen unbesiegt, könnte aber dennoch seinen Stuhl räumen müssen. Als Nachfolger soll Peter Bosz bereits feststehen. Die Vereins-Bosse verweigern sich allen Fragen.
Um 17.22 Uhr gingen am Samstag die Lichter in der BayArena aus und die kleinen Lämpchen an den Handys der Zuschauer an. Zu den Klängen von "Feliz Navidad" verabschiedeten sich die Spieler des TSV Bayer 04 Leverkusen von den Fans in die Winterpause. Das 3:1 (2:1) gegen Hertha BSC Berlin sorgte dabei für den versöhnlichen Ausklang einer zumindest in der Bundesliga wenig zufriedenstellenden Hinrunde. "Wir sind nicht immer an unsere Leistungsgrenze gekommen", sagte Mittelfeldspieler Kai Havertz.
Gegen Hertha BSC war dies zwei Tage vor Heilig Abend allerdings auch nicht nötig. Laut ihrem Trainer Pal Dardai hatten die Gäste von der Spree im Freundschaftsspiel-Modus agiert und überdies genügend Weihnachtsgeschenke mitgebracht. Bei Vollands 1:0 (6.) bildeten Plattenhardt und Torunarigha lediglich freundlichen Begleitschutz, beim 2:0 von Havertz (23.) trat Torhüter Jarstein am Ball vorbei. Schließlich fand Aranguiz für seinen Pass vor dem 3:1 von Havertz (49.) derart viel freien Raum im Mittelfeldzentrum vor, dass dort ein Kreuzfahrtschiff bequem hätte wenden können.
Völlers Neun-Punkte-Vorgabe hat Herrlich erfüllt
Mit dem nie gefährdeten Sieg hat die "Werkself" die Vorgabe des sportlichen Geschäftsführers Rudi Völler erfüllt. Völler hatte nach dem 1:1 in der "Wasserschlacht" von Nürnberg Anfang Dezember bis Weihnachten acht oder neun Punkte gefordert. Neun Zähler sind es geworden und so ist nach dem Fehlstart in die Saison mit drei Niederlagen in Folge zumindest der Anschluss an die Europa-League-Plätze hergestellt. Frohe Weihnachten also am Bayer-Kreuz? Mitnichten. Trotz des Aufwärtstrends scheint die Entlassung von Trainer Heiko Herrlich beschlossene Sache zu sein.
Die Spieler wussten am Samstag möglicherwise schon Bescheid. "Der Trainer hat alles gegeben. Ob sich die Verantwortlichen jetzt zusammensetzen, ist mir wurscht", sagte Angreifer Julian Brandt. Diese Verantwortlichen kniffen trotz Medien-Anfragen ihren Hintern ein, für eine Stellungnahme wollten weder Rudi Völler noch Manager Simon Rolfes zur Verfügung stehen. Am Mittwoch aber hatte Rolfes im Interview mit dem TV-Sender "Sky" ein Treuebekenntnis zu Herrlich umgangen. Ebenso wie Völler mit seinen bizarren Gegenfragen an den Reporter.
"Wir sind nicht zufrieden mit der Tabellensituation und teilweise auch nicht mit den spielerischen Leistungen. Wir werden uns in Ruhe zusammensetzen, denn unser Anspruch ist ein anderer als Platz zehn. Viele Spieler haben deutlich mehr Potenzial als sie abgerufen haben", erklärte Rolfes. Das aber war zu großen Teilen im Früh-Herbst. Dort hätte eine Entlassung von Herrlich eventuell verständlich gewirkt, dieser Zeitpunkt jedoch wurde verpasst. Sollte es jetzt zur Trennung kommen, dann verlieren die Bosse der "Werkself" ihr Gesicht und das ist ihnen offenbar auch bewusst.
Bosz käme mit Makeln zur "Werkself"
Denn von unserer Zeitung um sein Hinrunden-Fazit gebeten, erklärte Herrlich: "Wir haben nur drei Punkte weniger als voriges Jahr und sind noch im DFB-Pokal sowie in der Europa League. Leider fielen uns zu Beginn der Saison mit Baumgartlinger und Aranguiz wichtige Spieler aus. Dadurch mussten andere permanent ran und waren bei drei Wettbewerben dann irgendwann überspielt. So konnten wir keine Konstanz hinein bekommen und sind unter den Erwartungen geblieben, von daher war die Kritik teilweise sicher berechtigt. Jetzt allerdings zeigt der Trend nach oben und uns stehen noch alle Möglichkeiten offen."
Das und der Fakt, dass Herrlichs Team von den vergangenen 21 Spielen 16 nicht verlor, lassen Völler und Co. nun zwischen allen Stühlen sitzen. Besonders dann, wenn sich die Meldung der "Bild" als richtig erweist, wonach Leverkusen bereits mit Peter Bosz Einigkeit über einen Vertrag erzielt haben soll. Der Niederländer war vor einem Jahr bei Borussia Dortmund nach Raketen-Start rasant abgestürzt sowie in der Champions League krachend gescheitert. Zu lange hatte Bosz stur an einem System festgehalten, sich unflexibel gezeigt und zudem fragwürdige Personal-Entscheidungen getroffen.
Bosz käme nicht unbelastet zur "Werkself", die Spieler wissen um seine Zeit beim BVB. Daher stellt sich für die Leverkusener Vereins-Bosse die Frage, welches Experiment risikobehafteter ist. Doch weiter mit Herrlich oder aber die Zäsur mit Bosz? "Audere est facere" steht im Wappen der Tottenham Hotspur - was so viel heißt wie "wage zu tun". Das Handeln von Völler und Co. ist nun so oder so ein Wagnis. Und deshalb will dafür auch keiner die Verantwortung übernehmen.
Spielerbewertung Leverkusen
Hradecky (2), Weiser (3), Tah (2,5), Dragovic (2), Jedvaj (3,5), Baumgartlinger (3), Aranguiz (2), Brandt (3,5), Havertz (2), Bailey (4), Volland (3)
Spielerbewertung Berlin
Jarstein (4,5), Lazaro (4), Lustenberger (4), Torunarigha (5), Plattenhardt (5), Darida (4,5), Maier (5), Leckie (3,5), Duda (4,5), Mittelstädt (5), Selke (5), Pekarik (3)
TSV Bayer 04 Leverkusen - Hertha BSC Berlin 3:1 (2:1)
Leverkusen: Hradecky - Weiser, Tah (ab 85. Sven Bender), Dragovic, Jedvaj - Baumgartlinger, Aranguiz - Brandt (ab 76. Bellarabi), Havertz, Bailey - Volland (ab 72. Alario)
Berlin: Jarstein - Lazaro, Lustenberger, Torunarigha, Plattenhardt - Darida (ab 75. Ibisevic), Maier - Leckie (ab 55. Pekarik), Duda, Mittelstädt (ab 70. Köpke) - Selke
Schiedsrichter: Tobias Stieler (Obertshausen)
Zuschauer: 27 647
Tore: 1:0 Volland (6./Aranguiz), 2:0 Havertz (23./-), 2:1 Torunarigha (26./Lustenberger); 3:1 Havertz (49./Aranguiz)
Gelbe Karte: Torunarigha (Hertha/38.)