Borussia Mönchengladbach Eberls traurigster Geburtstag
Gladbachs Sportdirektor versucht, den Abschied von Lucien Favre zu erklären. Jetzt will er sich bei der Suche nach einem Nachfolger Zeit lassen. Übergangstrainer ist André Schubert.
Mönchengladbach. Am Sonntagmorgen um 7.20 Uhr geht Max Eberl mit dem Hund spazieren, als Lucien Favres Berater Jose Noguera auf dem Handy des Fußball-Sportdirektors anruft. Er sagt, dass sein Klient sofort von seinem Traineramt bei Borussia Mönchengladbach zurücktreten wolle. Eberl ist schockiert. Aber er hat das auch schon des öfteren gehört.
Hin und wieder hat es diese Anflüge beim Schweizer gegeben, an allem zu zweifeln. Noch hatten sie ihn immer überzeugt, nicht aufzugeben. Sie vereinbaren ein Treffen um 8.30 Uhr. Vizepräsident Rainer Bonhof und Eberl reden auf Favre ein. Sagen ihm, dass sie die Kündigung nicht akzeptieren. Sie erinnern an die Erfolge der viereinhalb Jahre. Daran, dass er sein Werk veredeln könne, wenn er jetzt bleibe. Sie pausieren am Mittag. Aber Favre bleibt auch am Nachmittag stur. Er glaube nicht daran, sagt Favre, die Lösung zu finden. Nach fünf Spieltagen als Tabellenletzter.
Aus seinem nahen Umfeld heißt es gegenüber unserer Zeitung, dass die Erklärung glaubwürdig ist. Dass Favre schon nach dem 0:3 in Sevilla gezweifelt habe. Und dann doch noch alles auf Köln abgerichtet gewesen sei — und wieder nichts. Der Perfektionist verzweifelt an seinem Werk. Und verzichtet auch auf viel Geld.
Am Abend gibt der 57-Jährige seine Rücktrittserklärung an die Presse. „Mit der Presseerklärung von Lucien hatte sich alles erledigt“, sagt Eberl am Montag, am Tag danach. Es ist Eberls Geburtstag, 42 Jahre alt wird der Manager. Er wird nicht mehr so alt werden können, um eine solche Farce noch einmal zu erleben. „Ich bin sehr, sehr traurig. Sautraurig“, sagt Eberl. Er sitzt allein auf dem Podium vor 130 Journalisten. Der Sportdirektor soll erklären, was er selbst nicht verstanden hat. Dass ein Trainer, der — obwohl Tabellenletzter — so sicher wie kein anderer im Sattel sitzt, nach fünf Spieltagen hinschmeißt.
Er kann es nicht: „Da bin ich auch im Fabelreich der Thesen unterwegs.“ Gladbach steht unter Schock. Der eigenwillige Schweizer Favre gilt hier als Heiligtum. „Das macht der Lucien schon“ — ein geflügeltes Wort. Wer sonst als Favre? Aus enttäuschter Bewunderung entsteht Frust. „Ich finde das oberlink, den Verein in so einer Situation zurückzulassen“, sagt Günther Norda aus Bedburg nebenan im Fan-Restaurant am Borussia-Park.
Eberl sagt das nicht. Er ist extrem enttäuscht, das spürt man. Aber er verliert kein böses Wort. „Lucien war nicht mal eben als Passant hier“, sagt Eberl. Nachtreten ist nicht, Der Manager wächst an diesem Tag über sich hinaus. „Es ist, wie es ist.“ Favre werde Spieler und Stab anrufen und sich verabschieden, „das ist sein Stil“, sagt Eberl. Der aufgelöste Vertrag? „Das regeln die Juristen.“ Eberl muss einen Neuen suchen. Und die Messlatte hat er mit seiner Traurigkeit nach ganz oben gelegt. „Ich kann ja jetzt schlecht sagen“, sagt er, „dass alles schlecht war.“
U 23-Trainer André Schubert (siehe Text unten) ist die „klar besprochene“ Übergangslösung. Eberl hat etwas anderes im Kopf. Er will einen Trainer, der mit „seinem eigenen Stil die Philosophie des Vereins fortführt“. Und er will sich Zeit lassen. „Jetzt im September fallen Trainer nicht von den Bäumen“, sagt Eberl. Vorbereitet hat er nichts. Warum auch? Bislang hatten sie Favre ja immer umstimmen können. Bis zum Sonntag. Am Tag nach dem 0:1 in Köln, als in Gladbach die Ära Favre endete.