Gladbacher Höhenflug - Favre: „Ich träume nicht“
Mönchengladbach (dpa) - Die Komplimente seiner Trainer-Kollegen hält Lucien Favre für Augenwischerei. „Gladbach gehört zu den besten Mannschaften der Bundesliga, da kann Lucien sagen, was er will“, urteilte Nürnberg-Coach Dieter Hecking nach dem 0:1 (0:0) bei Borussia Mönchengladbach.
Zuvor hatten sich Bayern Münchens Jupp Heynckes (0:1) und Wolfsburg Felix Magath (1:4) nach Niederlagen gegen die „Fohlen“ ähnlich anerkennend geäußert. „Sie sind sehr nett, aber das ist totaler Unsinn“, entgegnete Mahner Favre.
Der freundliche Schweizer hat alle Hände voll zu tun, die Euphorie nach dem besten Saisonstart seit 1987/88 einzudämmen. „Wir sind extrem zufrieden, müssen aber am Boden bleiben“, sagte Favre. „Ich schaue nicht nur nach oben, sondern ich schaue mir die ganze Tabelle von Platz 1 bis 18 an.“ Der Anteil des 53-Jährigen, den die Fans schon mit dem legendären „Fohlen“-Coach Hennes Weisweiler vergleichen, an diesem Höhenflug ist indes unbestritten. „Hennes Lucien Favre“, hieß es auf einem Plakat.
Als Favre nach 22 Spieltagen der vergangenen Saison die Elf übernahm, war sie mit 16 Punkten Tabellenletzter und hatte 56 Gegentore hingenommen. Danach kassierten die Gladbacher unter seiner Regie in 21 Liga-Partien nur noch 14 Treffer, schafften den Klassenverbleib und dürfen momentan sogar vom Europacup träumen. Die Spieler zumindest. „Ich träume nicht, ich bin Realist“, sagte Favre. „Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen. Die gleiche Mannschaft hat vor drei Monaten nur knapp die Klasse gehalten.“
Gladbachs vierter 1:0-Sieg der Spielzeit gegen die Franken war zwar verdient, kam aber glücklich zustande. Denn der Strafstoß in der 76. Minute, den Kapitän Filip Daems verwandelte, gehörte zur Sorte umstritten. „Vor dem Elfmeter habe ich einen Stoß in der Seite gespürt. Bei dem Tempo, das ich drauf hatte, war es schwer auf den Beinen zu bleiben“, schilderte der gefoulte Marco Reus die Situation. Verursacher Javier Pinola versicherte nach dem 200. Spiel für den „Club“ jedoch: „Ich habe ihn überhaupt nicht berührt.“ Sein Trainer Hecking sah es ebenso: „Ich bin total angefressen. Einen solchen Elfmeter gibt man nur, wenn man hundert Prozent sicher ist.“
Über die Niederlage selbst beschwerte er sich nicht, da die Gastgeber in allen Belangen den Nürnbergern überlegen waren. Mit den Torchancen im Dutzend ging die Borussia aber schludrig um. „Wenn wir die Möglichkeit hätten, die Chancen für die nächsten Spiele aufzuheben, muss uns nicht bange sein“, sagte Gladbachs Verteidiger Martin Stranzl, der nach sechswöchiger Pause ein Comeback feierte.
Antreiber und Ideengeber bei den Mönchengladbachern war Reus. „Ich hätte gerne selber getroffen, aber egal, wir haben gewonnen“, sagte der Stürmer, der allein ein halbes Dutzend Tormöglichkeiten vergeben oder vorbereitet hatte. „Wir haben besser gespielt als in den letzten beiden Partien“, befand er. Dass dem fünfmaligen deutschen Meister nun die Luft ausgehen könnte, erwartet Reus nicht: „Wir wollen da oben bleiben. Und ich habe nicht das Gefühl, dass wir nachlassen werden.“