Borussia Mönchengladbach Kramer: "Mir hat ein bisschen Herz gefehlt"
Christoph Kramer ist zurück bei Borussia Mönchengladbach, weil der Verein ihm und Kramer dem Verein gefehlt hat. Die Reunion ist allerdings ein teures Vergnügen.
Mönchengladbach. Eigentlich hätte Christoph Kramer jetzt am liebsten 580,2 Kilometer weiter südlich gesessen, aber der Platz jetzt hier war offenbar mindestens die beste Alternative. Als Weltmeister von 2014 hatten den jungen Mann aus Solingen in diesen Tagen nicht wenige im französischen Evian-les Bains gewähnt, bei der Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft auf die Fußball-EM. Aber das wollte Bundestrainer Joachim Löw nicht. Kramer, der Knockout-Weltmeister mit der Gedächtnislücke aus dem Finale gegen Argentinien, war aussortiert worden — und hatte deshalb Zeit, in den vergangenen Tagen seine Zukunft neu zu regeln: Der 25-Jährige verlässt nach nur einer Saison Bayer 04 Leverkusen und unterschrieb bei Borussia Mönchengladbach einen Vertrag bis 2021. Fünf Jahre sind ein Statement. „Ich bin ja eigentlich niemand, der ständig seinen Verein wechselt. Aber zuletzt war es dann doch ziemlich häufig so. Jetzt fühle ich mich hier angekommen“, sagte Kramer gestern bei seiner Vorstellung und fügte strahlend an: „Ich möchte hier ganz lange spielen, wenn ich darf.“ Und dann nickte er den bekannten Gesichtern zu.
„Ich freue mich, dass ich hier sein darf“
Worte und Gesten, mit denen Kramer die Herzen der Gladbach-Fans erreichen wird. Aber nur Herz reichte dann doch nicht, der Neuzugang, der zwischen 2013 und 2015 schon einmal zwei Jahre nach Gladbach ausgeliehen war, ist für Sportdirektor Max Eberl („Chris war auf dieser Position der ideale Transfer für uns“) ein gewaltiges Investment: Rund 15 Millionen Euro plus Bonuszahlungen, heißt es, werden nach Leverkusen überwiesen. Mehr hat die Borussia nie für einen Spieler gezahlt. „Ich weiß das zu schätzen“, sagte Kramer, das sei aber keine Belastung. Und überhaupt: „Ich freue mich, dass ich hier sein darf.“
Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Kramer die Borussia in Leverkusen dann tatsächlich doch vermisst hatte. „Es ist keine Flucht, ich habe auch dort gerne gespielt“, sagte Kramer. „Aber Borussia bietet mir einfach diese gewisse Leidenschaft und das Herz, was mir persönlich im vergangenen Jahr etwas gefehlt hat.“
Schon vor Monaten im Interview mit dieser Zeitung in Leverkusen war zwischen den Zeilen eine Sehnsucht herauszuhören. Kontakt habe es immer gegeben. Eberl und Kramer hätten dann mal geflachst: „Dann komm doch zurück!“ Und nun sei „aus Spaß Ernst“ geworden. So schnell kann das gehen in dem Theater Bundesliga, in dem die Millionen inzwischen nur so hin und hergeschoben werden: Schon vor einem Jahr hatte Gladbach rund zehn Millionen Euro nach Leverkusen für Josip Drmic transferiert.
Kramer war in Gladbach meist ein spielbestimmender Mann. „Dominanz auszustrahlen“ sei ihm wichtig, sagte er gestern. In Leverkusen musste er dem Ball dann doch mehr hinterherrennen, als ihm lieb war. So ein bisschen war das abzusehen gewesen, aber einen frischen Weltmeister, den hatte Leverkusen seinerzeit dann doch ganz gerne zurück.
In Gladbach hatten Granit Xhaka und Kramer sich die Gegner noch zurechtgelegt. Irgendwo zwischen diesen Spielstilen der Ex-Trainer Lucien Favre aus Gladbach und Roger Schmidt aus Leverkusen wird er sich unter André Schubert in Mönchengladbach wiederfinden. Gereift, womöglich als Anführer einer jungen Mannschaft, als den ihn Eberl eingeplant hat. Und dieses Mal wohl im Zentrum des Fohlen-Spiels an der Seite von Mahmoud Dahoud. „Wir haben ein Jahr zusammen trainiert. Ein toller Fußballer“, sagte Kramer, „er macht es einem leicht, mit ihm zu spielen.“
Mit dem Wechsel wird aber auch deutlich, dass die Borussia längst in neuer Dimension unterwegs ist. Zweistellige Millionen-Ablösen sind eben nichts mehr, vor dem man am Borussia Park zurückschreckt. Nicht immer ist das gut ausgegangen: Luuk de Jong (zwölf Millionen Euro) oder Josip Drmic (zehn) waren keine Verstärkungen, auch Jonas Hofmann, der im vergangenen Winter für acht Millionen Euro aus Dortmund gekommen war, wird sich in der kommenden Saison erst noch beweisen müssen. Bei Kramer aber — dieses Gefühl vermittelte Eberl gestern — weiß man, was man bekommt: einen Anführer, der in der Mannschaft geachtet sein wird. Oder wie Gladbachs Pressesprecher Markus Aretz es gestern auf seine Art sagte: „Da isser wieder.“