Altstar oder Altlast: Risiko mit „Brazzo“ & Co.
Berlin (dpa) - Das Szenario gleicht sich, die Darsteller wechseln: Unter Blitzlichtgewitter betreten Altstars wie Michael Ballack oder Hasan Salihamidzic die Bundesliga-Bühne. Sie versprechen Titel, Hingabe und Vollgas.
Die Erwartungen an die Galakicker sind riesig - doch in vielen Fällen stellt sich schnell Ernüchterung ein. So erging es dem Hamburger SV mit Ruud van Nistelrooy. Die Beispiele Raúl oder Sami Hyypiä hingegen beweisen, dass aus dem Altstar keine Altlast werden muss.
Bayer Leverkusens damaliger Trainer Jupp Heynckes erklärte bereits bei Ballacks Verpflichtung 2010 als Leitlinie für den Umgang mit verdienten Akteuren: „Man kann nur mit dem Kollektiv Erfolg haben. Auch ein Weltklassespieler muss sich erstmal integrieren.“ Die Binde sollte der 98-malige Nationalspieler Ballack ohnehin nicht bekommen, der damals 33-Jährige war als Leader ohne Symbol gedacht.
Doch nach wenigen Monaten kühlte das Verhältnis zwischen dem früheren „Capitano“ des FC Bayern und seinem Chefcoach ab. Starke Auftritte jüngerer Konkurrenten wie Lars Bender und Verletzungen ließen Ballacks Ansehen schwinden. Sein Führungsanspruch kollidierte mit Heynckes' Linie, die Werkself streng nach dem Leistungsprinzip aufzustellen - für den einstigen Star des FC Chelsea ein Affront.
„Michael will es noch einmal allen zeigen“, sagt Bayer-Sportchef Rudi Völler. 1994 kehrte er selbst als Altstar aus Marseille in die Bundesliga nach Leverkusen zurück. Der damals 34-Jährige überzeugte - 16 Tore gelangen dem stets verbindlich auftretenden Stürmer im ersten Jahr seiner Abschiedstour. Die Akzeptanz bestehender Hierarchien und das Vorangehen durch Leistung machten Völler unantastbar.
An Ballacks „Comeback“ glaubt auch sein neuer Trainer Robin Dutt. „Michael Ballack wird in vielen Systemen eine tragende Rolle spielen können“, betont der Bayer-Coach, der in seiner ersten Saison bei einem großen Club einen Machtkampf vermeiden will.
Hierarchien haben Hasan Salihamidzic nie viel bedeutet. „Brazzo“ (Bürschchen) war stets der loyale und bissige Allrounder. Nicht zuletzt aufgrund dieser Qualitäten hat ihn sein Entdecker Felix Magath in diesem Sommer nach Wolfsburg geholt. „Ich bin sicher, dass er mit seiner Reife unserer Mannschaft gut tut“, sagt der VfL-Coach über den früheren Profi des HSV, FC Bayern und von Juventus Turin.
Der 34-Jährige soll auf mehreren Positionen in Abwehr und Mittelfeld der Konkurrenz Beine machen. „Ich bin fit und heiß und brenne“, hatte er bei seiner Ankunft gesagt. Dann brach sich Salihamidzic den Arm und musste kürzertreten. Doch der Bosnier war schnell wieder zurück. „Die Ärzte sagten nach der OP, ich solle zwei Wochen nur laufen. Ich sagte Nein. Wir haben uns auf zwei Tage Laufen geeinigt“, erzählte Salihamidzic.
Das Selbstverständnis eines Führungsspielers hat der Allrounder - obwohl er bei Juve zuletzt nur zweite Wahl gewesen war - genauso wie ein Raúl oder Hyypiä. Diese „stillen Altstars“ gelten in ihren Clubs als Volltreffer. Nach Anlaufschwierigkeiten glänzte der frühere Real-Madrid-Kapitän Raúl beim FC Schalke 04 - 13 Ligatore sind seine Visitenkarte. Hyypiä wagte 2009 nach zehn Jahren beim FC Liverpool den Sprung in die Bundesliga und verlieh der jungen Leverkusener Abwehr Stabilität. In diesem Sommer war aber endgültig Schluss.
Dass selbst Altstars Reife vermissen lassen, zeigte Ruud van Nistelrooy. Als gefeierter Weltstar von Real Madrid wurde der niederländische Torjäger 2010 mit einer Privatmaschine eingeflogen, als schmollender Großverdiener verließ er den Hamburger SV. Dazwischen lagen viele Verletzungspausen und wenige Geistesblitze.
Zum Bruch mit der HSV-Führung kam es Anfang dieses Jahres, als die Königlichen aus Madrid „Van the Man“ zurückwollten. Der Bundesligist verweigerte den Abschied, doch van Nistelrooy hatte innerlich mit den Norddeutschen abgeschlossen. Da half auch sein Bekenntnis im Februar nichts: „Ich bin zu hunderttausend Prozent mit dem HSV beschäftigt.“ Seit diesem Sommer ist van Nistelrooy wieder im geliebten Spanien - und mit „hunderttausend Prozent“ beim FC Malaga bei der Sache.