Neuausrichtung in Hamburg Beben im Volkspark: HSV trennt sich von Bruchhagen und Todt

Hamburg (dpa) - 18 Tage war Bernd Hoffmann als Präsident des Hamburger SV im Amt, dann löste er ein mittelschweres Beben im Volkspark aus: Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen weg, Sportchef Jens Todt weg.

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Trainer Bernd Hollerbach darf bleiben - vorerst.

„Stand heute halte ich einen Trainerwechsel nicht für möglich. Hollerbach ist Bestandteil des Teams“, sagte der nun amtierende Vorstandschef Frank Wettstein. Am Samstag muss die Mannschaft bei Rekordmeister Bayern München antreten.

„Wir wollen einen ersten Impuls setzen für die Neuausrichtung im Verein“, begründete Hoffmann die doppelte Freistellung. „Ein Neustart ist zwingend notwendig.“ Der HSV ist mit lediglich 18 Punkten nach 25 Spielen Tabellenvorletzter und steuert in rasanter Fahrt seinem ersten Abstieg aus der Fußball-Bundesliga entgegen. Die Personalentscheidung, da ist sich der Aufsichtsrat einig, wird den Abstieg des Dinos nicht aufhalten. Aber sie soll den Weg bereiten für neue Strukturen, neue Köpfe in der Führung und neue Profis auf dem Rasen.

Der Aufsichtsrat hatte sich einstimmig zur Bruchhagen-Beurlaubung durchgerungen. Danach wurde Wettstein, Finanzvorstand und bislang Bruchhagens Stellvertreter, informiert. Der 44 Jahre alte Betriebswirt setzte auf Betreiben der Kontrolleure Todt vor die Tür. Denn das konnte der Aufsichtsrat nicht selbst übernehmen, dafür ist laut Satzung der Vorstand zuständig. Folglich musste Wettstein als letzter Mohikaner in der AG-Führung diese Aufgabe übernehmen. „Es war nicht mein Eindruck“, meinte Wettstein auf die Frage, ob Todt wegen seiner Demission überrascht war.

Mit Wehmut hat sich Bruchhagen verabschiedet. „Ich darf sagen, dass ich mich dem HSV sehr verbunden fühle“, sagte der scheidende Vorstandsvorsitzende und ergänzte: „Ich wünsche mir, dass sich die Entscheidungen des Aufsichtsrates als richtig erweisen.“ Er sei guten Glaubens gewesen, dass der HSV gut aufgestellt in die Saison 2017/18 gehe. „Das hat sich als Trugschluss erwiesen. Die Verantwortung übernehme ich“, sagte der 69-Jährige, der trotz des drohenden Abstiegs zu Zuversicht und Disziplin in dieser Situation aufrief.

Wettstein soll nur vorübergehend das Gesicht der Fußball-AG sein. Der Kopf ist unbestritten Hoffmann, eigentlich nur Präsident des Universalsportvereins HSV mit seinen mehr als 30 Sportarten. Dennoch räumt Macher Hoffmann in seiner zweiten HSV-Amtszeit (nach 2003 bis 2011) bei den Profis auf. Das kann er mithilfe seines Postens im Aufsichtsrat, der ihm als e.V.-Präsident zusteht. Um seine Macht und seine Umbruchabsichten zu untermauern, wurde er am Mittwochabend zum Aufsichtsratsvorsitzenden gekürt.

Erst zwei Wochen zuvor war er als stellvertretender Chef ins Kontrollgremium eingeführt worden. „Es gab den Wunsch, dass ich, der die meiste Erfahrung hat, den Aufsichtsratsvorsitz übernehme“, erläuterte Hoffmann die überraschende Rochade. Der bisherige Vorsitzende Michael Krall ist nur noch einfaches Ratsmitglied.

Will Hoffmann jetzt selbst AG-Vorsitzender werden? Der 55 Jahre alte Diplom-Kaufmann widersprach: „Die Aufgabe, die ich jetzt habe, halte ich für sehr, sehr wichtig. Der möchte ich mich mit gebotener Ruhe und Aufmerksamkeit zuwenden.“ Dass er später einmal den ehrenamtlichen Job des Präsidenten gegen den gut dotierten Posten des AG-Chefs eintauschen will, ist aber nicht ausgeschlossen. „Eine dauerhafte Lösung werden wir bei gegebener Zeit vorstellen“, meinte er zur momentanen Vakanz und heizte Spekulationen an: Der neue Sportchef könne durchaus jemand sein, der jetzt andernorts in Lohn und Brot stehe.

Der ehemalige Kölner Manager Jörg Schmadtke sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es gibt keinen Kontakt zum HSV. Das sind Spekulationen, mehr kann ich dazu nicht sagen“

Neun Spieltage vor Ultimo versucht jeder Verantwortungsträger beim HSV das Fünkchen Hoffnung auf Klassenverbleib am Glimmen zu halten. „Wir arbeiten alle am Wunder - oder am Neustart“, sagte Hoffmann. Bei der Planung des Kaders für die nächste Saison will er sich Zeit lassen. „Qualität der Entscheidungen geht vor Schnelligkeit“, lautet seine Maxime. „Es gibt keinen Grund für operative Hektik.“

Die Aufgaben von Sportchef Todt (offiziell Direktor Profi-Fußball) soll jetzt der für Nachwuchs und Strukturen zuständige Direktor Sport Bernhard Peters im Verbund mit dem erst vor Kurzem von RB Leipzig geholten Chefscout Johannes Spors übernehmen. „Das wird ein Gesamtkunstwerk“, meinte Hoffmann flapsig. Finanzmann Wettstein ist dem Duo zwar übergeordnet, aber nicht erste Adresse bei sportlichen Entscheidungen. Die Teamzusammenstellung werde nicht in „drei bis fünf Tagen“ entschieden, betonte Hoffmann, kündigte aber an: „Am Ende werden wir einen wettbewerbsfähigen Kader haben.“