Beifall: 4:4 gegen VfB für Klopp „ein Punktgewinn“

Dortmund (dpa) - Es war ein denkwürdig-emotionaler Abend, es war für viele total wahnsinnig, es war ein unglaubliches Wechselbad der Gefühle. Das 4:4 (1:0) zwischen dem deutschen Meister Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart ließ die Beteiligten in Superlativen schwelgen.

„Von diesem Spiel werden wir noch unseren Kindern erzählen“, konstatierte VfB-Torhüter Sven Ulreich. „Einfach geil“ waren für ihn die dramatischen 93 Minuten. „Das ist Fußball, das ist Leben, das ist total verrückt“, kommentierte BVB-Meistertrainer Jürgen Klopp das kaum fassbare Geschehen. Und Klopp-Kollege Bruno Labbadia meinte: „Für solche Spiele lohnt es sich, Trainer zu sein.“

Das Spektakel vor 80 720 Zuschauern im ausverkauften Dortmunder Signal Iduna Park war ein wahrer Fußball-Thriller, „das ganze Stadion war von den Sitzen gerissen“, hielt BVB-Innenverteidiger Mats Hummels fest. 2:0 führte der BVB durch Shinji Kagawa (33. Minute) und Jakub Blaszczykowski (49.), fraglich schien angesichts einer erheblichen Anzahl weiterer BVB-Topchancen nur die Höhe des Sieges. Dann indes begann eine Phase, in der seine schwäbischen Landsleute einen Großteil des „Mörderspiels“ lieferten, von dem Klopp später sprach. Innerhalb von neun Minuten machten Vedad Ibisevic (71.) und Julian Schieber (77./79.) aus dem klaren Rückstand ein 3:2 für den VfB.

Doch die sensationelle Darbietung war längst nicht zuende. Hummels glich aus (81.), „Joker“ Ivan Perisic (87.) legte das 4:3 für den Titelverteidiger nach und fiel nach dem Abpfiff trotzdem völlig platt und fassungslos rücklings auf den Rasen. Denn Christian Gentner setzte mit seinem erfolgreichen Alles-oder-nichts-Versuch in der Nachspielzeit den Schlusspunkt, nach dem sich nicht alle über den finalen Wert des Dargebotenen einig waren.

Für Klopp war es „ein Punktgewinn“. Hummels klagte: „Wir bekommen einen dreckigen Ausgleich.“ Der Nationalspieler registrierte trotz seines ersten Saisontreffers wie später auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke „ein bitteres Ende“. BVB-Torhüter Roman Weidenfeller, dessen Team bis zu diesem 28. Spieltag nur 17 Gegentreffer zugelassen hatte, machte nach dem Vierer-Pack der Gäste eines völlig klar: „Für mich persönlich ist es eine gefühlte Niederlage.“ Schieber registrierte das Gegenteil: „Für mich war das ein gefühlter Sieg.“

Irgendwie waren am Freitagabend alle Gewinner, als Klopp deutlich machte, warum das Premiumprodukt Fußball-Bundesliga vielen so lieb und teuer ist: „Es geht derzeit um die TV-Rechte. Jetzt wissen wieder alle, warum sie so viel blechen sollen.“ Der BVB war deshalb kein Verlierer, weil er die restlichen sechs Aufgaben mit den Topduellen gegen die Bayern, beim Erzrivalen Schalke und gegen Borussia Mönchengladbach am 30., 31. und 32. Spieltag von der Spitze aus angehen kann. Der VfB blieb zum sechsten Mal nacheinander unbesiegt und hat die Europa-League-Qualifikation im Visier.

In Dortmund blieben sie gelassen, nicht nur, weil die Rekordserie jetzt auf 22 Spiele ohne Niederlage anwuchs und das 4:4 nicht sonderlich viel an der hervorragenden Basis des BVB änderte, den Titel erfolgreich verteidigen zu können. Hummels: „Wir haben in der Rückrunde 29 von 33 möglichen Punkten geholt - es gibt schlechtere Ausgangslagen. Ich denke, alle anderen haben eine schlechtere“ - völlig richtig und für Watzke trotz Gentners Nackenschlag das klare Zeichen, sofort auf Attacke umzuschalten. „Wir haben jetzt acht Tage Zeit, zu regenerieren. Dann werden wir nach Wolfsburg fahren und wieder angreifen.“