Bundesliga BVB in Leverkusen: Eine Unterbrechung als letzte Pointe
Dortmund gewinnt 1:0 in Leverkusen. Vor allem die Szene unmittelbar vor dem Tor ist später Thema. Sie führte zur neunminütigen Spielunterbechung.
Leverkusen. Für Premieren gibt es in der Fußball-Bundesliga nicht viele Gelegenheiten. Nach 52 Jahren hat man alles gesehen, alles erlebt. Irrtum. Gestern in Leverkusen hat die Fußball-Bundesliga doch noch eine bemerkenswerte Pointe aus der Kiste gekramt: Das Spitzenspiel von Bayern 04 Leverkusen gegen Borussia Dortmund wurde für neun Minuten von Schiedrichter Felix Zwayer unterbrochen, weil sich Leverkusens Trainer Roger Schmidt geweigert hatte, auf Ansage des Referees auf die Tribüne zu gehen.
Aufregung, viel Unwissen, dann gar die Vermutung: Hatte Zwayer gerade das Spiel des Tabellenzweiten gegen den Liga-Dritten abgebrochen? „Theoretisch kann er abbrechen“, sagte Schiedsrichter-Beobachter Helmut Krug auf der Pressetribüne spürbar aufgeregt. Dann war klar: Zwayer wird wird wieder anpfeifen - und das Spiel, bei dem Borussia Dortmund mit 1:0 geführt hatte, ging in seine letzte Viertelstunde. Es blieb dabei.
Aber was war eigentlich passiert? Nach einem Zweikampf-Foul von Stefan Kießling gegen Sven Bender schnappte sich Nationalspieler Matthias Ginter digital gemessene 5,80 Meter vom Tatort entfernt den Ball und leitete geistesgegenwärtig den Konter ein, an dessen Ende auf Zuspiel von Erik Durm Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang sein Torkonto auf 21 Treffer aufbesserte. Ein sekundenschneller Offensivvortrag, der Roger Schmidt nachhaltig aus dem Konzept brachte. Reklamationen des Trainers und der Leverkusener Spieler, schließlich die Bitte Zwayers an Bayer-Kapitän Stefan Kießling, dem Trainer mitzuteilen, dass er auf die Tribüne gehen soll. Schmidt forderte einen Dialog und eine Begründung ein, Zwayer verweigerte. „So wurde es ein Kräftemessen, das unnötige Hektik gebracht hat“, analysierte Nationalspieler Christoph Kramer später. Zwayer beendete es mit der Unterbrechung, die auch Bundestrainer Joachim Löw im Stadion aushalten musste.
Eine Entscheidung, für die Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler kein Verständnis hatte. „Völlig überzogen“ fand Völler die Entscheidung, mahnte an, Zwayer habe ja zu Schmidt gehen und mit ihm reden können. Und dann wurde der zunehmend wütendere Völler etwas unsachlich: Der Schiedsrichter hätte das wiedergutmachen können, wenn er später „Elfmeter für uns“ gegeben hätte. Ob er denn jetzt eine Sperre erwarte, wurde Völler noch gefragt, gemeint war eine potenzielle Sperre für Trainer Schmidt. Völlers Antwort: „Ich weiß nicht, ob Herr Zwayer jetzt gesperrt wird. Ich kann es mir nicht vorstellen.“
In der Sache lag Völler allerdings richtig: Für ein Handspiel des Dortmunder Abwehrspielers Sokratis hätte es Elfmeter für die Gastgeber geben müssen. Im Zusammenhang mit der Unterbrechung stand das freilich nicht. Auch, wenn das fast jeder Leverkusener glauben machen wollte. „Wir sind durch ein irreguläres Tor in Rückstand geraten“, sagte Schmidt, „Das ist einfach ein klarer Vorteil, den sie sich da verschaffen.“ Und als er gerade begonnen hatte, sich für sein Verhalten adäquat zu rechtfertigen („Da bin ich zu stur gewesen. Es war ein Fehler von mir. Als Trainer fordere ich für meine Mannschaft aber eben auch Gerechtigkeit ein“), da legte er gleich noch einmal nach: „Ich habe meine Mannschaft damit bestraft. Weil: Diesen tausendprozentigen Handelfmeter nicht zu pfeifen, das ist ja Wahnsinn. Das hat mich doch sehr an den tollen deutschen Torwart bei der Handball-EM erinnert. Wenn er den Elfmeter nicht pfeift, dann vielleicht, weil ich zu emotional war.“
Welche Konsequenz der Vorfall für Schmidt haben wird, ist noch offen. Laut Helmut Krug werde es wohl ein Sportgerichtsverfahren beim DFB geben. Insider sprachen von vier Spielen Sperre, die auf Schmidt zukommen könnten. Just in einer Phase, in der es für Bayer Leverkusen auch trotz des 0:1 gegen Dortmund noch um einen durchaus erreichbaren Platz in der Champions League gehen wird.
Beide Teams hatten unter der Belastung Europa League unter der Woche gelitten. „Es war ein Guerilla-Kampf“, sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc angesichts vieler Zweikämpfe auf engem Raum. Mats Hummels war glücklich: „Wenn wir uns nicht ganze dämlich anstellen, dürften wir Platz zwei sicher haben“, meinte er. Der Abstand zu Bayer 04 beträgt nun schon 16 Punkte. Dortmund ist der beste Tabellenzweite aller Zeiten.