Derby-Glück und neue Hoffnung

Der 1. FC Köln kauft Leverkusen beim 2:0-Sieg frühzeitig den Schneid ab. Und beweist, dass man den Club noch nicht abschreiben sollte.

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Köln. „Die Leiche hat an den Sarg geklopft“, brachte Kölns Flügelflitzer Leonardo Bittencourt ein halbes Jahr voller bitterer Nackenschläge mühelos in einem Satz unter — und warf gleich auch noch einen Blick in die Zukunft. „Das Unmögliche ist jetzt nicht mehr ganz so unmöglich.“

Der FC hatte gerade gegen Bayer Leverkusen mit 2:0 das zweite rheinische Derby (nach dem 2:1 gegen Gladbach) in dieser Saison gewonnen, was aber angesichts der Tabellenlage nur die Randnachricht ist. Viel wichtiger: Erstmals seit dem dritten Spieltag, als Trainer Peter Stöger vorrechnete, dass man eigentlich nur drei Punkte hinter der eigenen Kalkulation zurückliegt, steht der 1. FC Köln nicht mehr auf dem letzten Tabellenplatz und hat die Rote Laterne an den Hamburger SV abgegeben. Der Abstand auf Mainz 05 auf dem Relegationsplatz 16 ist außerdem auf fünf Punkte geschrumpft.

„Dreck fressen“ und „Aggressivität auf den Platz bringen“, hatte Trainer Stefan Ruthenbeck von seiner Mannschaft gefordert — und von der ersten Sekunde des Spiels an machten die FC-Spieler klar, dass sie diese allerletzte der letzten Chancen nutzen wollten, nachdem die Konkurrenz im Überlebenskampf erneut nicht gepunktet hatte. Der FC lief den Gegner hoch an, zeigte aggressives Pressing, zwang die Bayer-Elf zu Fehlern in der eigenen Hälfte.

„Das war ein fast körperloses Spiel meiner Mannschaft“, monierte ein enttäuschte Leverkusener Trainer Heiko Herrlich das Verhalten in den ersten 20 Minuten. Und die Kölner wurden früh belohnt für ihren intensiven Einsatz: Bittencourt brachte vom linken Flügel aus den Ball hinter die Abwehr in den Strafraum, Yuya Osako nahm die Kugel auf, zog ab — und ließ Torwart Bernd Leno schlecht aussehen. Denn der Bayer-Keeper ließ den nicht sonderlich platzierten Ball unter die Arme rutschen (9.). Auch nach der Führung blieb der Tabellenletzte weiter am Drücker, kam im Umschaltspiel über die starken Osako und Vincent Koziello immer wieder zu Chancen, blieb aber im letzten Pass oder im Abschluss zu ungenau, um eine beruhigendere Führung herauszuspielen.

Die vorentscheidende Szene spielte sich dann nach einer halben Stunde ab, und auch Schiedsrichter Harm Osmers musste sich die Szene per Videobeweis noch einmal vor Augen führen, da sie sich außerhalb des eigentlichen Geschehens ereignete. Dominic Maroh war am eigenen Strafraum zusammengebrochen, und der Blick auf die Bilder zeigte, dass der Abwehrspieler einen Ellbogencheck von Bayer-Stürmer Lucas Alario gegen den Hals bekommen hatte. Osmers zückte die Rote Karte gegen den Argentinier, Köln war in Überzahl (32.).

„Das vierte Mal in dieser Saison, dass wir nicht mit elf Mann zu Ende spielen konnten“, monierte Herrlich. Sechs Minuten zuvor hatte Alario noch die Riesenchance auf den Ausgleich, köpfte aber freistehend und aus kurzer Distanz kläglich in die Arme von FC-Keeper Timo Horn.

Stefan Ruthenbeck, Kölns Trainer

Der Kölner Überlegenheit tat der Platzverweis zwar gut, dem Spiel insgesamt allerdings nicht, denn die Leverkusener wollten sich nur noch in die Halbzeit retten. Der FC kontrollierte das Geschehen, allerdings ohne große Gefahr auszustrahlen. Nach dem Wechsel und mit zwei frischen Spielern (Benjamin Henrichs und Joel Pohjanpalo) waren die Gäste, vor 50 000 Zuschauern dann plötzlich besser im Spiel. Vor allem über Kai Havertz inszenierten die Leverkusener immer wieder vielversprechende Spielzüge, allerdings ohne restlos zwingend zu wirken. Dass die Werkself mit aller Macht um einen Platz in der Champions League kämpfen wollte, war nicht wirklich zu erkennen.

„Zwingend“ war dagegen die Einladung von Charles Aranguiz, die die Partie endgültig zugunsten der Ruthenbeck-Elf entschied: Der Abwehrspieler köpfte zurück in Richtung Torwart Leno, doch Simon Zoller hatte den Braten gerochen, spritzte in den freien Raum, kam vor dem herausstürmenden Leno an den Ball und hob ihn in vollem Lauf über den Bayer-Keeper, um ihn dann aus kürzester Entfernung zum 2:0 ins leere Tor zu dreschen (69.).

„Es ist schon ärgerlich, dass wir so einen Fehler des Gegners brauchen, um in Überzahl zum Torerfolg zu kommen“, befand Kölns selten beschäftigter Torwart Timo Horn zurecht. Doch das war Jammern auf hohem Niveau. Das Positive fand dagegen sein Trainer Stefan Ruthenbeck: „Wir sind nicht mehr Letzter, wir sind noch am Leben.“ Nicht mehr, aber auch nicht weniger.