Dortmund atmet auf - „Eines unserer besten Gesichter“

Dortmund (dpa) - Erst der Schlusspfiff verschaffte Erlösung. Nach dem 1:0 (1:0) über 1899 Hoffenheim entlud sich bei allen Beteiligten die Anspannung der vergangenen Tage. Trainer Jürgen Klopp warf Kusshände ins Publikum und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke umarmte seine Sitznachbarn.

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Auf dem Weg zur bebenden Südtribüne kletterten die Profis über die Bande und warfen ihre Trikots in die johlende Menge. Sichtlich bewegt kommentierte Matchwinner Ilkay Gündogan die Dortmunder Wiederauferstehungsfeier: „Wir haben als gesamter Verein eines unserer besten Gesichter gezeigt: das Team auf dem Platz, die Fans auf den Tribünen.“

Die über Jahre an spektakulären Fußball gewöhnten Zuschauer erlebten ein Fest der besonderen Art. Allen Unkenrufen zum Trotz trat das lange Zeit für seine hohe Spielkultur gerühmte Team den Beweis an, dass es auch im rustikalen Abstiegskampf bestehen kann. Die emotionale Kabinenansprache von Routinier Sebastian Kehl wenige Minuten vor der Partie zeigte Wirkung. Selbst die Edeltechniker im Team kämpften um jeden Zentimeter Boden und verzichteten in Drucksituationen auf Schönspielerei.

Dieser Paradigmenwechsel war für Kehl der Schlüssel zum Erfolg: „Wir haben erkannt, dass wir mit rein spielerischen Mitteln nicht zum Erfolg kommen. Dafür haben wir in den letzten Wochen die Quittung bekommen. Die kleine Korrektur war notwendig.“

Vor allem Gündogan hatte allen Grund zur Freude. Dank seines ersten Treffers seit 20 Monaten ist der letzte Tabellenrang für die Borussia vorerst Geschichte. Erstmals seit seinem Comeback nach über einjähriger Zwangspause schien der deutsche Nationalspieler wieder fast der Alte. Bei seiner Auswechslung in der Nachspielzeit feierten die Fans den Spielmacher mit Ovationen. Der Applaus ging Gündogan nahe: „Es war toll, nach solch langer Zeit mal wieder die Anerkennung von den Rängen zu bekommen und die ersten drei Punkte nach meiner Rückkehr einzufahren.“

Neben Gündogan schlüpfte Klopp in die Rolle eines Hauptdarstellers. Der Mut des Fußball-Lehrers, neben Stammkeeper Roman Weidenfeller auch auf die drei weiteren Weltmeister Matthias Ginter, Erik Durm und Kevin Großkreutz in der Startformation zu verzichten, wurde belohnt. Vor allem die Maßnahme, Ersatzkeeper Mitch Langerak den Vorzug vor Weidenfeller zu geben, sorgte noch nach dem Schlusspfiff für lebhafte Diskussionen. Klopp wollte nicht ausschließen, dass diese Variante von Dauer ist: „Das habe ich aus dem Bauch heraus entschieden - zunächst nur für dieses eine Spiel. Aber es kann auch sein, dass Langerak nächstes Mal wieder spielt.“

Anders als in den vergangenen Wochen war der Borussia am Freitag das Glück hold. Beim grenzwertigen Zweikampf von Neven Subotic mit Tarik Elyounoussi fünf Minuten vor dem Ende im Dortmunder Strafraum ließ Referee Felix Zwayer Milde walten. „Das war ein 100-prozentiger Elfmeter. Alle im Stadion haben das gesehen, nur der Schiedsrichter und sein Assistent nicht“, klagte Gästecoach Markus Gisdol. Allerdings hatte Zwayer zuvor einem Treffer des Dortmunders Pierre-Emerick Aubameyang (53.) wegen angeblicher Abseitsstellung zu Unrecht die Anerkennung verweigert.

Bei aller Freude über den Befreiungsschlag war der Dortmunder Coach Klopp weit davon entfernt, Entwarnung zu geben: „14 Punkte sind dramatisch besser als die elf vorher, reichen aber nicht aus. Es ist nichts passiert - weiter geht's.“ Ähnlich sah es der erst in der Schlussphase eingewechselte Großkreutz: „Schon nach dem 1:0 über Mönchengladbach habe alle gesagt, das war die Wende. Wir müssen ruhig bleiben.“