Entscheidung über HSV-Struktur: „Schicksalstag“
Hamburg (dpa) - Die wegweisende Mitgliederversammlung des Hamburger SV am Sonntag elektrisiert die norddeutsche Öffentlichkeit. Rund 10 000 Mitglieder werden im Congress Center Hamburg erwartet.
Radio, Fernsehen und Zeitungen in der Hansestadt und der umliegenden Region haben die größte Versammlung in der Geschichte des Vereins zum Top-Thema erhoben. „Schicksals-Sonntag für den HSV“, titelt die „Bild“-Zeitung auf Seite eins und verkündet ein „Endspiel für den Hamburger Stümper-Verein“. „Tag der Entscheidung: Was wird aus dem HSV?“, fragt das „Hamburger Abendblatt“ und prophezeit „das wichtigste Heimspiel“ des Clubs. Man könnte annehmen, es gehe um das Finale in der Champions League mit dem HSV auf der einen Seite. Manch ein Beobachter meint: Es geht um mehr!
Am Sonntag ab 11.00 Uhr steht eine neue Vereinsstruktur beim Fußball-Bundesligisten zur Wahl. Die Fußball-Profi-Abteilung soll raus aus dem eingetragenen, dem gemeinnützigen Verein mit seinen 33 Sparten. Eine Aktiengesellschaft oder zumindest Kommanditgesellschaft auf Aktienbasis soll der 126 Jahre alte Bundesliga-Dino werden. So soll Investoren Appetit auf den Kauf von Anteilen am HSV gemacht werden. In den vergangenen drei Jahren schrieb der HSV ein Defizit von 21 Millionen Euro. Ernst-Otto Rieckhoff, Vorreiter des AG-Konzepts „HSV Plus“, erwartet bei Ausgliederung der Profis eine kurzfristige Finanzspritze von 50 Millionen Euro.
12 der 18 Bundesligisten haben ihren Profibetrieb bereits in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. Vereine aus der ersten Tabellenhälfte der Bundesliga wie Schalke, Augsburg, Mainz, Stuttgart haben den Schritt ebenso wie der HSV (noch) nicht vollzogen. Das mittelständische Fußball-Unternehmen HSV mit einem Umsatz von mehr als 130 Millionen Euro passt letztlich nicht zu den Strukturen eines gemeinnützigen Vereins. Hier gibt es gar rechtliche Bedenken.
„Meine Erwartung ist, dass es gesetzlich geregelt werden muss. Dass der Gesetzgeber vorschreibt, dass ein wirtschaftlicher Betrieb und ein eingetragener Verein nicht unter ein Dach gehören“, sagte HSV-Präsident Carl Jarchow der „Welt am Sonntag“. Er will für keines der Modelle Partei ergreifen, meint jedoch: Mittelfristig sei die Trennung unausweichlich.
Von den fünf Modellen, die am Sonntag vorgestellt werden, sind neben „HSV Plus“ zwei weitere auf Bildung einer Kapitalgesellschaft ausgerichtet. Das eine versucht den abgemilderten Weg über eine GmbH und Co. KG auf Aktienbasis („Rautenherz“), das andere („HSV 21“) wirbt für die Bildung einer Stiftung, in der alle Sparten (Amateure, Supporters, Förderer) ihre eigene Rechtsform wählen können und der Profifußball damit wie bei „HSV Plus“ eine AG werden kann.
Zwei Konzepte (HSV-Reform“, „HSV - Zukunft mit Tradition“), die aus der Spitze der Fan-Abteilung Supporters sowie dem Aufsichtsrat kommen, lehnen Ausgliederung und Anteilsverkauf ab. Sie wollen die Satzung verändern. „HSV-Reform“ will beispielsweise die Befugnisse des Aufsichtsrates beschneiden und die Macht des Vorstandes erhöhen.
Rieckhoff warb in der „Hamburger Morgenpost“ für sein Konzept, das als Favorit an den Start geht. Es müsse alles „haargenau so umgesetzt“ werden, meinte der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende. „Ich befürchte, dass wir sonst aus dem Quark gar nicht mehr rauskommen.“ „Eine Zerreißprobe“ („Hamburger Abendblatt“) stünde bei dem richtungsweisenden Treffen folglich bevor. Bekommt am Sonntag ein Konzept die einfache Mehrheit, wird es zur Wahl im Mai oder Juni vorbereitet. Dann benötigt es allerdings eine Dreiviertelmehrheit.