Erstes Derby seit 37 Jahren: Angst vor „Vollidioten“

Hannover (dpa) - Die Vorfreude nach 37 langen Jahren des Wartens ist nicht ungetrübt. Niedersachsens Ministerpräsident bereitet das erste Erstliga-Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig seit April 1976 jedenfalls Sorgen wegen einiger „Vollidioten“.

„Es gibt Bekloppte auf beiden Seiten“, sagte Stephan Weil vor dem Hochrisiko-Spiel am Freitag: „Da sind viele unterwegs, die haben Spaß am Krach und Ärger machen.“ Der Fußball tritt in diesen Tagen fast in den Hintergrund. Dass der Elfte den Letzten der 1. Liga empfängt, erscheint angesichts der Bedrohung durch eine Minderheit von gewaltbereiten Fans sowie Randale-Touristen fast als Nebensache. Seit Tagen bemühen sich Politiker und Profis um eine friedliche Stimmung. Appelle und Aktionen sollen die Fans befrieden.

Die extreme Abneigung zwischen „Peine Ost“ und „Peine West“ ist außerhalb Niedersachsens kaum bekannt. „Diese Rivalität war mir gar nicht bewusst“, sagte der im April aus Freiburg gekommene 96-Manager Dirk Dufner. „Ich habe mich schon ein bisschen erschrocken, wie das hier gelebt wird. Das ist einfach zu viel.“

Dass Außenstehende überrascht sind, liegt wohl auch daran, dass das letzte Aufeinandertreffen der Clubs bereits zehn Jahre zurückliegt und das letzte Punktspiel zwischen 96 und Eintracht 1998 in der Regionalliga ausgetragen wurde. „Weil es so lange kein Spiel gegeben hat, hat sich vielleicht einiges angestaut“, sagte Hannovers Fanbeauftragter Johannes Seidel.

Wie ernst die Situation zumindest von der Polizei genommen wird, zeigen die Aussagen des Einsatzleiters in Hannover. Experte hätten gewarnt, „dass Schalke gegen Dortmund dagegen Kleinkram sein soll“, berichtete Guido von Cyrson. Beim Ruhrgebiets-Klassiker waren zuletzt Leuchtraketen von BVB-Hooligans in den Schalke-Fanblock geschossen worden. Seine Frau, berichtete der Einsatzleiter, würde jedenfalls nicht einmal für eine Prämie von 1000 Euro Freitagabend ins Stadion gehen.

Mit einem umfangreichen Sicherheitspaket soll für eine friedliches Derby gesorgt werden. Die Partie ist extra auf Wunsch der Polizei auf Freitag gelegt worden, damit ausreichend Beamte zur Verfügung stehen. „Hannover ist eine große Drehscheibe für andere Fans“, erklärte 96- Stadionchef Thorsten Meier, daher sei der Samstag keine Alternative gewesen. Den Sonntag hatte Hannover abgelehnt, weil es der Todestag des ehemaligen 96-Torwarts Robert Enke ist.

Das Derby „unterliegt besonderen Sicherheitsauflagen“, sagte Meier. Es gibt keinen Alkohol im Stadion, die Zahl der Ordner wurde erhöht, die Kontrollen werden umfangreicher und schärfer als sonst sein, und die Blöcke neben den Braunschweiger Fanblock bleiben „als Puffer“ leer. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius drohte vorsichtshalber: „Diejenigen, die meinen, den Fußball missbrauchen zu müssen, werden die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.“

Welch kuriose Blüten das Derby treibt, zeigte eine tierische Provokation, die glimpflich ausging. Ein bemaltes Schwein mit 96-Schal um den Hals ist in der Nacht zum Donnerstag durch Hannover geirrt und wäre beinahe von einem Auto überfahren worden. Kurz vor dem Aufeinandertreffen wollten offenbar Braunschweig-Fans die Anhänger des Gastgebers provozieren. Eine Autofahrerin habe bremsen müssen, als das Tier in der Oststadt auf die Straße lief, sagte ein Polizeisprecher. Die Frau alarmierte die Beamten, die das Schwein einfingen und in ein Tierheim brachten.

Die unbekannten Täter hatten mit schwarzer Farbe das 96-Logo auf die linke Seite des Schweins gepinselt, auf der rechten Seite war die Ziffer Eins zu sehen. Möglicherweise ist dies eine Anspielung auf den früheren 96-Torhüter Robert Enke, der sich das Leben nahm und dessen Todestag sich am Sonntag zum vierten Mal jährt. Um Verunglimpfungen Enkes in der hitzigen Derby-Atmosphäre zu verhindern, hatte Hannover den Antrag gestellt, das Spiel früher auszutragen. „Sollte sich die Eins auf Enke beziehen, wäre dies eine unglaubliche Geschmacklosigkeit“, sagte der Polizeisprecher.