Ex-HSV-Präsident Hunke: Sicherheitskonzept überhastet

Berlin (dpa) - Der frühere HSV-Präsident Jürgen Hunke hat das geplante Sicherheitskonzept im deutschen Fußball als „überhastete Regulierung“ kritisiert.

Die überschnelle Reaktion werde auch durch die Einmischung der Politik ausgelöst, sagte er im Deutschlandfunk. „Die Politik sollte sich da im Moment ganz raushalten, das soll der Fußball erstmal noch mal versuchen zu klären“, sagte Hunke, Aufsichtsratsmitglied beim Hamburger SV. Übertriebene Regulierungen führten nur zu anderen Exzessen.

„Ich glaube, die Fans haben sich noch nie so moderat verhalten in der Gesamtheit wie in der jetzigen Zeit“, sagte Hunke. Deshalb fehle ihm das Verständnis dafür, dass es nun ein neues Sicherheitskonzept geben solle. Die 36 Proficlubs sollen am Mittwoch über das umstrittene Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) abstimmen.

Marvin Kretzschmar von der Fan-Initiative „12:12“ sagte im Deutschlandfunk, er sei optimistisch, dass es in Zukunft Kompromisse gibt. Man sei gerade in einer „luxuriösen Position“, dass auch der Ligaverband und die Medien immer mehr Verständnis dafür haben, „warum wir erst einen Dialog herstellen wollen, bevor wir Sicherheitskonzepte durchwinken“, sagte er.

Eintracht Frankfurts Vorstandsmitglied Axel Hellmann rechnet auch nach der Entscheidung über das Sicherheitskonzept mit heftigem Widerstand aus Fankreisen. „Es wird auch nach dem 12. Dezember eine Welle des Protestes geben. Da mache ich mir nichts vor. Aber diese Welle müssen wir aushalten“, sagte der Jurist, der den umstrittenen Maßnahmenkatalog für den deutschen Fußball mit ausgearbeitet hatte, in einem Interview der „Frankfurter Rundschau“.

Die Eintracht hat eine lange Liste von Verbesserungsvorschlägen, Hellmann sieht aber keinen Widerspruch zu seiner Arbeit darin, „dass wir im Vorstand überzeugenden Argumenten, die nach langer Diskussion mit unseren organisierten Fans auf den Tisch kamen, folgen“. Der Funktionär des hessischen Fußball-Bundesligisten räumte Fehler ein beim Vorgehen der Deutschen Fußball Liga (DFL) und des Ligaverbandes. „Wir hätten in der Kommission nach den ersten vorläufigen Ideenansätzen Fanvertreter mit einbinden sollen“, sagte Hellmann. „Nachdem das Papier dann die Clubs mit der Bitte um kritische Auseinandersetzung erreicht hat, war das Kind schon öffentlich in den Brunnen gefallen.“

Der Kriminologe Thomas Feltes kritisierte das umstrittene DFL-Sicherheitspapier für den deutschen Fußball als „unkonkretes Wunschkonzept“. „Durch dieses Papier und die öffentliche Diskussion dazu wird suggeriert, dass wir ein Sicherheitsproblem in deutschen Stadien haben. Das stimmt aber nicht“, sagte Feltes „Spiegel Online“. Der Jurist war Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Fußball Liga (DFL), wurde aber im September nach eigenen Angaben wegen kritischer Äußerungen aus dem Gremium geworfen.

Feltes bemängelte, die DFL wolle das Papier nur durchbringen, „weil es die Politik so will und Maßnahmen fordert.“ Nach Ansicht des Experten unterschätzen die Verantwortlichen die Macht der Fans. „Die Verbände hätten aber am liebsten lauter Jubelperser, die das Geld ins Stadion tragen, sich anständig benehmen und in die Kameras lächeln - so wie beim Tennis oder Golf“, sagte er.

Feltes sprach sich stattdessen dafür aus, bei den Bundesliga-Spielen nur Polizisten einzusetzen, die mit der räumlichen und regionalen Situation vertraut seien. Außerdem forderte er den Einsatz von unabhängigen externen Spielbeobachtern.

Michael Gabriel als Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) prangert vor der Abstimmung über das Sicherheitskonzept in einem Interview der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ derweil an, dass das Verhältnis zwischen Fans und dem organisierten Fußball von einem „großen Misstrauen“ geprägt ist.

Die Proteste gegen den Maßnahmenkatalog, so Gabriels KOS-Kollege Volker Goll, würden sich im Kern um eine andere, grundsätzlichere Frage drehen: „Wie werden wir als Fans gesehen und behandelt - als Zuschauer, als Konsumenten, als Gewalttäter oder wertschätzend als Unterstützer?“ Das Sicherheitspapier sei nur noch ein Papier.

Gabriel kritisierte: Die wenigsten Vereine - beispielsweise Union Berlin, FC St. Pauli oder der HSV vielleicht - hätten verstanden, was für eine Bedeutung die Fans für ihre Vereine, ihre AG oder ihr Produkt hätten. „Sie haben keine Idee, wie sie die Kommunikation und die Einbindung organisieren sollen. Das Thema Fußballfans wird unwillig behandelt, es sind die Schmuddelkinder“, sagte der KOS-Chef. „Die Vereine und Verbände merken jetzt, dass sie das Thema Fußballfans mit zu wenig Aufmerksamkeit behandelt haben.“