Fortuna-Fan Campino: Hertha-Protest wäre „unanständig“
Düsseldorf (dpa) - Eigentlich wollte Fortuna-Fan Campino nach 15 Jahren Bundesliga-Abstinenz den Aufstieg seiner Düsseldorfer ausgelassen feiern.
Nach dem Chaos beim Relegations-Rückspiel gegen Hertha BSC (2:2) schwingt in der Freude beim Sänger der Toten Hosen aber „eine gewisse Verunsicherung“ mit. Ein Protest der Berliner wäre „unanständig“, sagte er im Interview der Nachrichtenagentur dpa: „Das ist die letzte Karte, die der um seine Existenz kämpfende Club hier spielt. Wenn man Anwälte losschickt, die behaupten, man hätte Todesängste spüren können, ist das eine Verunsachlichung auf einem gefährlichen Niveau.“
Nehmen Sie die Glückwünsche zum Aufstieg schon an?
Campino: „Ja, ich würde sie gerne entgegennehmen. Ich bin natürlich besorgt, dass durch ein Nachkarten in dieser Situation und durch eine gewisse Sensationslust Sachen angeheizt werden, die von der Sachlage her getrennt werden müssten. Deshalb schwingt eine gewisse Verunsicherung mit. Aber ich nehme die Gratulation gerne entgegen, denn im sportlichen Vergleich ist die Fortuna aufgestiegen.“
Wie haben Sie im Stadion die Szenen miterlebt, die zur langen Unterbrechung geführt haben?
Campino: „Es ging alles los mit dem 2:1 der Fortuna. In dem Moment haben die Hertha-Fans geahnt: Die Sache ist gelaufen und haben daraufhin mit Leuchtspurmunition und anderen Knallkörpern auf den Platz geschossen. Daraufhin musste das Spiel erst einmal gestoppt werden, der Schiedsrichter wartete ab, bis sich die Lage beruhigt hatte und setzte deswegen eine siebenminütige Nachspielzeit an. Das Dilemma ist, dass in solchen Fällen die Nachspielzeit nicht angezeigt wird. Niemand im Stadion weiß dann genau, ob jetzt schon vier oder fünf Minuten nachgespielt sind.“
Frage: Danach haben die Zuschauer nicht mehr das Spielende abgewartet...
Campino: „50 Leute haben einen Pfiff des Schiedsrichters als Schlusspfiff ausgelegt und fingen an, auf den Platz zu laufen. Daraufhin haben auch andere gedacht, das sei das Spielende und im Nu waren Hunderte auf dem Platz. Es hat gedauert, bis die Leute den Irrtum eingesehen haben und dass das Spiel nicht zu Ende ist. Sie sind aber durch reines gutes Zureden wieder vom Platz gegangen. Es ist nicht eine Ohrfeige im Stadion gefallen, es gab kein blaues Auge, es wurde kein Polizist angegriffen, niemand wurde verletzt. Insofern kann man von leicht chaotischen Verhältnissen sprechen, allerdings in einer Euphorie, die völlig ungebremst und leider unkontrolliert war. Aber es war keine Aggression von den Düsseldorfern zu spüren, das muss man unterscheiden.“
Wie bewerten Sie Forderungen nach einem Wiederholungsspiel?
Campino: „Man muss sehen, dass die Vereine für die Sicherheit zuständig sind und dafür Verantwortung zu tragen haben. Eventuell wird es eine Geldstrafe geben. Aber wenn diskutiert wird, ob das Spiel wiederholt wird, macht man doch den Bock zum Gärtner. Denn das ist genau das, was die Anhänger von Hertha wollten - einen Spielabbruch. Wenn der Verein tatsächlich Protest einlegen sollte, ist das unanständig. Das ist die letzte Karte, die der um seine Existenz kämpfende Club hier spielt. Wenn man Anwälte losschickt, die behaupten, man hätte Todesängste spüren können, ist das eine Verunsachlichung auf einem gefährlichen Niveau.“
Wie war die Stimmung nach dem Spiel - durchweg ausgelassen feierlich oder musste man innehalten, um zu begreifen, was passiert ist?
Campino: „Natürlich musste man innehalten. Während der 20-minütigen Unterbrechung war eine tiefe Besorgnis da und ein Genervtsein über die eigenen Anhänger, die zu blöd sind, um zu verstehen, dass das Spiel noch nicht abgepfiffen ist. Da kann man von einer großen Dummheit reden. Die Zeitverlängerung war aber eine Konsequenz, die gezogen wurde, weil die Berliner den Platz unbespielbar gemacht und mit Leuchtspurmunition herumgeballert haben. Das kann ja wohl nicht sein, dass eine Belohnung mit einem Wiederholungsspiel entsteht für die Randalierer, die auf der Heimfahrt auch noch schnell ihren Zug zerlegt haben.“
Welche Reaktion erhoffen Sie von Hertha?
Campino: „Der Verein sollte die Courage haben, zu sagen: "Ok, das können beide Seiten besser machen und wir haben unseren Anteil an dieser chaotischen Situation im Stadion gehabt. Wir werden mit Anstand diesen Abstieg hinnehmen, weil wir es im sportlichen Vergleich nicht geschafft haben, Fortuna zu schlagen." Wenn er Rückgrat hat, muss Herr Preetz das bringen.“
Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung in den deutschen Stadien?
Campino: „Wir alle müssen uns generell Gedanken machen. Da kocht gerade wieder ein Geist hoch, den wir in den 70er und 80er Jahren erfolgreich bekämpft hatten und der lange aus den Stadien gebannt war. Wir müssen den Leuten wieder klarmachen, dass Euphorie anders kanalisiert werden muss als in randaleartigen Ausuferungen. Das tut dem Sport nicht gut. Ansonsten ist der gestrige Aufstieg einwandfrei. Ich denke, dass wir uns alle freuen dürfen, dass die Fortuna mit einer vom Etat her sehr bescheiden angesetzten Mannschaft wirklich eine herausragende Leistung geschafft hat. Der ganze Ärger um das Spielende darf den Erfolg von gestern nicht schmälern.“