Debatte um externe Investoren Grundsatzdebatte statt Kind-Urteil: 50+1-Regel auf der Kippe

Frankfurt/Main (dpa) - Eigentlich ging es nur um die Übernahme von Hannover 96. Jetzt aber steht die gesamte 50+1-Regel und die hoch umstrittene Frage, wie der deutsche Profifußball mit externen Investoren umgeht, auf dem Prüfstand.

Foto: dpa

Der langjährige 96-Boss Martin Kind ließ schon vor einer mit Spannung erwarteten Präsidiumssitzung der Deutschen Fußball Liga seinen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel und damit auf den Erwerb der Mehrheitsanteile an seinem Club überraschend wieder ruhen. Der Hörgeräte-Unternehmer machte damit den Weg für eine Grundsatzdebatte innerhalb der Bundesliga frei.

Wie können sich die deutschen Vereine künftig für externe Geldgeber öffnen, um im internationalen Vergleich nicht weiter den Anschluss an Clubs aus England oder Spanien zu verlieren? Und wie kann gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Vereine ihren Einfluss behalten und sich nicht vollständig an Investoren aus China, den USA oder dem arabischen Raum ausliefern?

Diese entscheidenden Fragen will die DFL jetzt in einer „ergebnisoffenen Grundsatzdebatte“ mit den 36 Erst- und Zweitligisten klären. „Aus Sicht des DFL-Präsidiums erscheint es zweckmäßig, in den kommenden Monaten die Formulierung und Umsetzung der 50+1-Regel zu überprüfen und dabei zu erörtern, wie wichtige Prinzipien der gelebten Fußball-Kultur in Deutschland zukunftssicher verankert werden können und ob gleichzeitig neue Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen sind“, heißt es in einer Erklärung der DFL vom Montag.

Vieles spricht dafür, dass die 50+1-Regel in ihrer bisherigen Form keine Zukunft mehr haben wird. In einer Umfrage der „Bild“-Zeitung sprachen sich am Montag bereits 12 von 18 Erstliga-Vertretern für eine Reform aus. Nur die Verantwortlichen von Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach und des SC Freiburg wollen weiter an einer Regelung festhalten, die den Einfluss von Investoren in einem Verein begrenzt und die es in dieser Form nur im deutschen Fußball gibt.

Sogar Hannover 96 gab in einer Erklärung bekannt: „Wir begrüßen die Beschlussfassung der DFL als einen großen Schritt in die richtige Richtung.“ Vordergründig waren der Club und sein seit 1997 amtierender starker Mann zuvor zwar eingeknickt, weil Martin Kind immer betont hatte: Entweder ich kriege meine Ausnahmegenehmigung oder ich ziehe vor Gericht. Auch die Vereinsopposition in Hannover sprach von einer „Niederlage für Herrn Kind“.

Tatsächlich aber sieht der millionenschwere Unternehmer die Möglichkeit, über eine Reform der 50+1-Regel doch noch zu seinem Ziel einer Übernahme des Clubs zu kommen. Eine solche Reform „würde Hannover 96 die erhofften Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen“, heißt es in der Mitteilung des Vereins.

Klar ist: Alle Vertreter der Bundesliga und der DFL eint die Angst davor, dass jemand vor ein ordentliches Gericht zieht und die juristisch wackelige 50+1-Regel dort zu Fall bringt. „Das würde die Bundesliga dem freien Spiel der Kräfte überlassen“, sagte Axel Hellmann, der Vorstand von Eintracht Frankfurt.

Deshalb will der Profifußball seine Regeln weiter selbst aufstellen, diese in Zukunft aber deutlich rechtssicherer gestalten. Gegenüber dem „Kicker“ und der „Bild“-Zeitung stellte Hellmann bereits einen konkreten Kompromissvorschlag vor. Danach sollen sich Vereine in Zukunft stärker für Investoren öffnen dürfen, einen solchen Einstieg aber an klare Bedingungen knüpfen müssen. Die Farben und das Logo eines Clubs dürften laut Hellmann nicht verändert werden. Auch dürfte ein Verein nicht einfach in eine andere Stadt verlegt werden. Außerdem müsste sich ein Investor zum Erhalt von Stehplätzen und sozialverträglichen Eintrittspreisen in den Stadien bekennen.

Bislang sollte die 50+1-Regel den Einfluss von Investoren verhindern. In der englischen Premier League sind aktuell 12 von 20 Vereinen in der Hand ausländischer Besitzer. Auch in vielen anderen europäischen Ligen finden sich längst namhafte Beispiele wie Paris St.-Germain, der AC Mailand oder Slavia Prag, die Investoren aus Katar oder China gehören. Nur in der Bundesliga ist das noch nicht erlaubt. Denn dort sieht die 50+1-Regel vor, dass die Stammvereine auch nach einer Ausgliederung der Profi-Abteilungen in eine Kapitalgesellschaft weiter die Mehrheit der Stimmanteile besitzen müssen.

Martin Kind wollte mit seinem Antrag eine Ausnahmegenehmigung erhalten, wie sie bereits beim VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und 1899 Hoffenheim gilt. Denn die Statuten der DFL sehen auch vor: Wenn eine Person oder ein Unternehmen einen Verein seit mindestens 20 Jahren kontinuierlich und in großem Maße finanziell fördern, dann dürfen sie auch die Mehrheitsanteile an diesem Club übernehmen. Eine Ausnahmegenehmigung erhält Kind nicht. 50+1 in seiner jetzigen Form wird er auf Umwegen aber vielleicht doch zu Fall bringen.