Guardiolas emotionales Wiedersehen mit Barca

München (dpa) - Das Wiedersehen mit seinem Herzensclub hat sich Josep Guardiola angenehmer vorgestellt. Ausgerechnet vor dem wichtigen Testspiel der Superlative am Mittwoch gegen seinen langjährigen Verein FC Barcelona musste der neue Bayern-Coach eine sehr emotionale Nachricht verdauen.

Barcas Tito Vilanova, viele Jahre sein Intimus, ist erneut an Ohrspeicheldrüsenkrebs erkrankt und musste sein Traineramt niederlegen. Guardiola war bestürzt: „Ich liebe ihn. Ich wünsche ihm und seiner Familie jetzt ganz viel Kraft.“

Der hochgelobte Heilsbringer des deutschen Fußball-Rekordmeisters benötigt selbst jede Menge Energie und vor allem Durchsetzungsvermögen, um sein Großprojekt FC Bayern weiter erfolgreich voranzutreiben. Die ersten Auftritte waren eindrucksvoll. Trotzdem wird rund um den Münchner Luxuskader immer wieder die Systemfrage gestellt. Mit welcher taktischen Formation will Guardiola den Triple-Sieger noch besser, noch flexibler und noch unberechenbarer machen? Die Bayern-Stars geben sich bisher lernwillig und halten ihre Eitelkeiten zurück.

Barca hat vor der Standortbestimmung genügend eigene Sorgen. Nach dem tragischen Abgang von Vilanova müssen die Katalanen Gerardo „Tata“ Martino so schnell wie möglich als neuen Trainer integrieren. Der Argentinier wird gegen die Münchner noch nicht auf der Bank sitzen. Auch der brasilianische Neuzugang Neymar ist nicht dabei. Dafür will Barcelona in der Allianz Arena sein neues Auswärtstrikot präsentieren, das in den katalanischen Nationalfarben gelb-rot gehalten ist. Außerhalb Kataloniens wird diese Wahl als politische Stellungnahme gewertet.

Auch sportlich hat die Partie durchaus Brisanz. Zu frisch ist die Erinnerung an die Demontage des spanischen Über-Teams im Halbfinale der Champions League durch die Münchner. „Die Art und Weise, wie der FC Bayern uns rausgeworfen hat, war für uns sehr schmerzhaft“, hatte Barcas Weltfußballer Lionel Messi vor kurzem gestanden.

Die Gemütslagen beider Clubs vor der Partie im Rahmen des „Uli-Hoeneß-Cups“ könnten jedenfalls unterschiedlicher kaum sein. Beim FC Bayern scheint unter Guardiola bisher alles wie geschmiert zu laufen. Sogar der sonst überkritische Sport-Vorstand Matthias Sammer fand angesichts der ersten Guardiola-Wochen nichts als lobende Worte: „Großes Kompliment bis hierhin an Pep und die Mannschaft, die mitzieht und die nicht den Eindruck vermittelt, dass sie genug hat, sondern dass sie weiter hungrig ist.“

Eitel Sonnenschein also beim FC Bayern, düstere Zeiten dagegen in Barcelona: Der überraschende Rücktritt von Cheftrainer Vilanova am vergangenen Freitag traf den Kultclub relativ unvorbereitet. „Es ist der Moment gekommen, dass (..) ich meine Energie und Anstrengungen der Behandlung der Krankheit widme“, schrieb der 44-Jährige auf der Club-Homepage. Bayerns-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge reagierte mit großer Anteilnahme auf die Kunde aus Barcelona: „Wir stehen ihm alle bei, drücken ihm alle Daumen, dass er diesen Kampf gewinnt.“

Vergessen waren angesichts der schlimmen Nachricht auch die jüngsten Scharmützel zwischen Guardiola und seinem früheren Verein. Der Neu-Münchner hatte der Barça-Führung vorgeworfen, falsche Informationen über ihn in Umlauf gebracht und Vilanovas Krankheit dazu genutzt zu haben, ihm Schaden zuzufügen. Dies bestritt jedoch Vilanova. „Pep hat mit seinen Äußerungen nicht Recht“, betonte er. „Niemand hat meine Krankheit ausgenutzt, um Guardiola zu schaden. Der Vorstand hat mir und meiner Familie sehr geholfen.“

Vollprofi Guardiola scheint mit seinem früheren FCB, vom dem er Jungstar Thiago Alcántara an die Isar lockte, endgültig abgeschlossen zu haben. Dabei hat der 42-Jährige mehr als sein halbes Leben bei den Katalanen verbracht. Mit 13 Jahren stieß er zu Barcelonas Jugendakademie, mit 19 debütierte er in der Primera División. Insgesamt gewann Guardiola 16 Titel in 17 Jahren bei Barça. Noch eindrucksvoller ist seine Ausbeute als Trainer. Sagenhafte 14 Titel, darunter zweimal die Champions League, gewann er mit Barça - und mit seinem Zauber-Fußball die Herzen der Fans in aller Welt.

Doch nun zählt für den Perfektionisten nichts als seine neue Fußball-Heimat. Natürlich hat ihm Vorgänger Jupp Heynckes mit dem Triple ein schweres Erbe hinterlassen. Dies weiß auch Präsident Uli Hoeneß. „Oben sein ist das eine, oben zu bleiben das andere. Das ist die schwierigste Aufgabe, die ein Trainer haben kann. Wenn nicht er, wer sonst könnte diese Herausforderung bestehen?“