Heidel zum Sané-Transfer: „Kein Fußballer ist 50 Millionen wert“
Mittersill (dpa) - Nach dem Wechsel von Jung-Nationalspieler Leroy Sané zu Manchester City freut sich Schalkes Sportvorstand Christian Heidel über eine Rekordeinnahme.
Die rund 50 Millionen Euro stünden „nun für den Gesamtetat des FC Schalke zur Verfügung“, sagte Heidel im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Darüber hinaus äußerte sich der 53-Jährige zu weiteren Personalplanungen des Revierclubs und den explodierenden Transfersummen.
Der Wechsel von Leroy Sané zu Manchester City ist perfekt. Man hatte nicht den Eindruck, Sie wollten ihn unbedingt halten. Oder täuscht der Eindruck?
Christian Heidel:Nein, denn Leroy hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er unbedingt gehen wollte. Wie hätte ich Ihn überreden sollen? Wichtig war, dass Leroy und sein Management verstanden und akzeptiert haben, dass ein Wechsel nur möglich ist, wenn die wirtschaftlichen Interessen des Vereins gewahrt bleiben.
Also ging die Initiative nur vom Spieler aus?
Heidel:Der Wechselwunsch kam ganz klar von ihm. Das ist auch legitim. Wir haben ihn nirgendwo zum Kauf angeboten.
Sané hat 47 Bundesligaspiele bestritten, ist erst 20 Jahre alt. Kommt der Sprung zu einem Spitzenclub in England nicht zu früh?
Heidel:Die Kritiker werden in dem Fall immer für sich reklamieren, Recht behalten zu haben. Es gibt auf der einen Seite das Gefühl, es ist ein bisschen früh. Sollte er sich durchsetzen, sagen die gleichen Leute: Ich habe immer gesagt, dass er es schafft. Es scheint keine emotionale, sondern eine wohlüberlegte Entscheidung gewesen zu sein. Pep Guardiola hat mit seiner Ausstrahlung sicher eine große Rolle gespielt. Ich bin sicher, dass Sané sich dort durchsetzen kann.
Viele fragen sich, ob ein Talent 50 Millionen wert ist?
Heidel:Ich glaube, dass überhaupt kein Fußballer auf diesem Planeten 50 Millionen 'wert' ist. Aber wir reden hier von einem Markt, der sich so entwickelt hat. Im Endeffekt bin ich ja dafür verantwortlich, weil wir gesagt haben, wir möchten diese Summe für Leroy haben.
Die Ablösesummen sind in diesem Jahr explodiert. Sehen Sie Gefahren, zum Beispiel für kleinere Vereine wie Ihren Ex-Club Mainz, wenn sie das Spiel mitmachen?
Heidel:Solange der Markt dieses Geld zur Verfügung stellt, ist alles in Ordnung. Wenn nicht, und es muss fremdfinanziert werden, kann eine Blase entstehen. Den Eindruck habe ich aber nicht. Ich glaube, dass alle davon profitieren. Die TV-Verträge in allen Ländern steigen. Es kommt mehr Geld in die Kassen der Clubs. Dass dieses Geld wieder auf den Markt kommt, ist doch völlig klar. Es ist mir lieber, es bleibt im Kreislauf der Clubs. Solange sich der Fußball selber trägt, ist es gesund. Wenn Fremdquellen dazukommen, weiß man nicht, was wird, wenn diese Quelle mal versiegt. Es gibt ja schon Beispiele aus England. Aber die Gefahr sehe ich in Deutschland eigentlich nicht, weil es bei uns fast nur Clubs gibt, die sich aus ihren selbst generierten Einnahmen finanzieren.
Was machen sie mit den Sané-Millionen? Werden die in die Mannschaft reinvestiert?
Heidel:Das Geld steht nun für den Gesamtetat des FC Schalke zur Verfügung. Aber nirgendwo steht, dass alles in Ablösen oder Gehälter investiert werden muss. Jeder weiß, dass wir auch in die Infrastruktur des Clubs investieren. Aber sicherlich haben wir nach dem Transfer noch einmal mehr Spielraum für Spielerkäufe.
Coke kommt aus Sevilla, der Ex-Augsburger Baba wurde von Chelsea ausgeliehen. Was erwarten Sie von den beiden?
Heidel:Coke ist sicher ein außergewöhnlicher Spieler. Wir bekommen einen erfahrenen Profi, der das Herz von Sevilla war. Er wird etwas Besonderes in unsere junge Mannschaft bringen. Ich glaube, er wird bei uns ganz schnell zum Führungsspieler. Baba kennt unseren Trainer sehr gut. Wir wollten noch etwas auf der Linksverteidiger-Position tun, sind dennoch mit Sead Kolasinac total zufrieden.
Es sollen noch ein kampfstarker Sechser und ein offensiver Flügelspieler kommen…
Heidel:Wir müssen Leroy ja ersetzen. Da haben wir sicher die eine oder andere Idee. Und wir glauben, dass wir im zentralen Bereich noch was machen müssen. Dazu fehlt uns noch ein zweikampfstarker Spieler, der viele Qualitäten ausstrahlt. Wir haben einige Spieler im Auge. Stand jetzt sind wir mit keinem in einer finalen Verhandlung.
Neuer Sportvorstand, neuer Trainer, neue Spieler. Ist der Umbruch auf Schalke in diesem Jahr nicht zu groß?
Heidel:Dass der Umbruch ein paar Tage länger dauert, ist klar, weil wir uns erstmal ein Bild von der Mannschaft machen mussten. Die einen waren bei der EM, andere bei der U19-EM, jetzt sind Max Meyer und Leon Goretzka bei Olympia. Es ist schon keine einfache Vorbereitung, insbesondere für Markus Weinzierl als neuem Trainer. Aber er hat jetzt schon einen Einblick und mein Job ist es, die Dinge umzusetzen.
Wie lautet Schalkes Saisonziel? Wieder in die Champion-League?
Heidel:Wenn ich nach Schalke gehe und sage, wir möchten die Klasse halten, bin ich nicht mehr lange da. Aber ich sage nicht, alles andere als Platz drei wäre eine Vollkatastrophe. Dass Schalke ein Club ist, der international spielen will und muss, dessen bin ich mir bewusst. Aber es geht vor allem um Nachhaltigkeit. Wir müssen eine Spielidee entwickeln und die Basis für nachhaltigen Erfolg legen. Es war immer mein Credo: Ich will - im Rahmen unserer Möglichkeiten - den bestmöglichen Trainer, die bestmögliche Mannschaft und die bestmöglichen Arbeitsbedingungen. Wenn wir da überall an unsere Grenze kommen, werden wir Erfolg haben.
Die Bayern sind wohl weit weg. Kann Schalke den riesigen Punkte-Abstand des Vorjahres auf den Rivalen Dortmund verkürzen?
Heidel:An Bayern wird in naher Zukunft sicher keiner herankommen, deswegen darf man sie trotzdem auch mal schlagen. Der BVB hat seit 2008 eine sehr gute Entwicklung genommen und die Entscheidung für Jürgen Klopp war der Wendepunkt. Seitdem haben sie einfach einen guten Job gemacht und gute Personalentscheidungen getroffen. Man sieht was in wenigen Jahren alles möglich sein kann, wenn sich alle im Club einig sind. Das muss auch unser Weg sein.
Sie haben angekündigt, ein neues Schalke zu bauen ...
Heidel:Es geht darum, das Selbstverständnis auf Schalke ein wenig zu verändern. Die Identifikation ist da, aber was mir ein bisschen fehlt, ist der Stolz auf diesen Verein. Wir wollen gemeinsam etwas erreichen und nicht sagen, so ist es halt auf Schalke. Ich habe mal aus Jux mal 'Schalke und Chaos' gegoogelt. Da gab es 188 000 Einträge. Typisch Schalke muss wieder für etwas anderes stehen. Aber natürlich muss die Leidenschaft bleiben. Es ist eine Gratwanderung, aber eine spannenden Aufgabe. Ich spüre jeden Tag die Kraft, die dieser Verein hat.
ZUR PERSON:Christian Heidel (53) war 24 Jahre lang Manager des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 und führte die Rheinhessen bis in den Europapokal. Nach Abschluss der vergangenen Saison wechselte der gebürtige Mainzer als Sportvorstand zum FC Schalke 04 und wurde dort Nachfolger von Horst Heldt. Mit seiner Familie wohnt er in Essen.