Bundesligaserie Hertha BSC: Diva oder Arbeiterverein?

Berlin · Dem Status eines Big City Klubs konnten die Herthaner bisher nicht gerecht werden. Auch die kommende Saison wird für den Verein aus der Hauptstadt nicht einfach werden.

Rechts im Bild Neu-Trainer Sandro Schwarz und links Leitwolf Kevin-Prince Boateng.

Foto: dpa/Soeren Stache

Hertha Fans sind in den vergangenen drei Jahren nicht gerade verwöhnt worden. Seit dem im Februar 2020 krachend gescheiterten Engagement von Jürgen Klinsmann gab es fünf Trainer, die versuchten die Hertha wieder auf Kurs zu bringen. Das Ergebnis war ernüchternd für die Berliner. Fast-Abstieg zuletzt, Streit im Team, Streit in der Führungsetage, ständige Aufregung um Investor Lars Windhorst. Den Begriff „Chaos-Club“ haben sich die Berliner redlich verdient.

Warum spricht in diesen Tagen kaum jemand über Fußball, wenn er über Hertha BSC redet?

Weil die Hertha mit einer Palastrevolution für Schlagzeilen sorgt. Kay Bernstein wurde überraschend zum neuen Hertha-Präsidenten gewählt. Die Mitglieder hatten offenbar die Schnauze voll von der Kungelei hinter den Kulissen und wählten einen Mann an die Spitze, der keinerlei Erfahrung in der Führung eines Vereins hat. Aber einen, der mit viel Herzblut die Hertha wieder auf Kurs bringen will. Die Wahl des ehemaligen Ultras war eine krachende Niederlage für das Establishment des Hauptstadtklubs, denn hinter den Kulissen war ausgemacht, dass der CDU-Politiker Frank Steffel neuer Präsident werden soll.

Ein Ultra an der Spitze eines Bundesligaklubs. Wie kann das funktionieren?

Die Frage ist fasch gestellt, denn Kay Bernstein hat zwar eine Vergangenheit als Ultra-Fan in der Kurve, tatsächlich aber ist er ein erfolgreicher Unternehmer, der eine Eventagentur in Berlin führt. „Das Experiment von Berlin“ schrieb der „Spiegel über die Wahl des 41-Jährigen, der die Hertha wieder auf geerdeten Boden stellen möchte. Weg vom Image der „Diva an der Spree“, zurück zum Arbeiterklub aus Wedding. Eine Aufbruchstimmung hat er erzeugt. Wer geerdet seine ersten Interviews liest wird feststellen, dass es falsch wäre, den Mann auf ein Currywurst-Image zu reduzieren. Seine Wahl hat aber auch gezeigt, dass es bei der Hertha zwei große Lager gibt, die sich nahezu unversöhnlich gegenüberstehen. Bernstein muss als erste Aufgaben ein Verhältnis zum millionenschweren Investor Lars Windhorst wieder herstellen und mit Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic auskommen. Der Mann ist nicht zu beneiden.

Müssen die Hertha-Fans wieder schwarz sehen?

Das sieht ganz danach aus, denn mit Sandro Schwarz wurde ein Trainer verpflichtet, der sehr selbstbewusst in Berlin auftritt. Der frühere Mainz- und zuletzt Dynamo-Moskau-Trainer will „mutig in der Verteidigungshaltung und mit dem Ball zielstrebig nach vorn spielen“. Außerdem will der 43-Jährige, dass die Hertha künftig „außerhalb des Platzes geschlossen als Mannschaft auftritt“. Auch eine schwere Aufgabe.

Ist schon absehbar, mit welchem Team der neue Trainer starten kann?

Noch überhaupt nicht. Viele Leihspieler kommen zurück, sie müssen oder sollen aber nicht alle bleiben. Auch Krzysztof Piatek und Dodi Lukebakio könnten dringend benötigtes Geld einbringen. Santiago Ascacibar hatte Bobic schon vor der Relegation mitgeteilt, wechseln zu wollen. Bobic will das Personalbudget des Klubs weiter abbauen und mit den Transfers „mehr Geld einzunehmen als auszugeben." Erster Neuzugang ist der Kroate Ivan Sunjic (25), der von Birmingham kommt.

Nach den Worten vom Ex-Trainer Felix Magath hat Kevin-Prince Boateng im Relegations-Rückspiel die Hertha-Mannschaft aufgestellt. Welche Rolle wird der Altmeister unter Sandro Schwarz spielen?

Der Prince soll weiter zum Team gehören. Mit dem 35-Jährigen hat der neue Trainer eines seiner ersten Gespräche geführt und danach bekundet: Das Gespräch sei „offen, klar, ehrlich von beiden Seiten“ gewesen, „eine gute Basis, um weiter zusammenzuarbeiten“.

Welches Saisonziel ist für die Hertha realistisch?

Das lässt sich angesichts des nicht feststehenden Kaders überhaupt nicht einschätzen, eher Abstiegskampf als Europa. Vom Start wird viel abhängen, ganz viel, denn da steht gleich ein „geiles Spiel“ an, so Sandro Schwarz: Das Derby gegen den 1. FC Union Berlin.