Heynckes: Kind der Liga sagt „Auf Wiedersehen“
München (dpa) - Franz Beckenbauer und Bastian Schweinsteiger regten schon mal ein Denkmal für Jupp Heynckes an - das hat sich der Trainer aber mit dem Triple schon gesetzt.
Einer der größten Fußballexperten der Welt sagt beim FC Bayern „Auf Wiedersehen“ - und muss erst einmal keine Bierduschen mehr erleben, denn die „stinken und kleben fürchterlich“, wie er am Wochenende wieder erfahren musste. „Was er uns beschert hat, kann man gar nicht mit Gold aufwiegen. Er geht als großer Freund“, rühmte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Und bei Fans und Spielern ist der Ruf „Jupp, Jupp, Jupp“ jetzt schon fast legendär.
Zum Auftakt der Triple-Titel dachte Heynckes, der sich bei seiner Abschiedspressekonferenz in München ein Hintertürchen offen ließ, vor ein paar Wochen mit einem Lächeln im Gesicht an die erfolgreichen Anfänge zurück. „Ich habe immer herausgestellt, dass die erste deutsche Meisterschaft als Spieler das Schönste überhaupt war“, erinnerte der 68-Jährige kürzlich an die frühen Jahre einer der größten deutschen Fußball- Karrieren. Aber rückblickend wird auch diese triumphale Saison einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen, eine genaue Rangfolge wird dabei schwer zu erstellen sein.
Geehrt und gefeiert wurde er von vielen, von Ministerpräsident Horst Seehofer bekam er jüngst den Bayerischen Löwen verliehen, den sonst nur „höchstrangige Staatsgäste“ erhalten. „Ich kann ihnen nur meine tiefe Verehrung aussprechen. Dass, was sie in der Fußballwelt abgeliefert haben, ist beispiellos. Sie haben sich zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt“, erklärte der Politiker - und sah Heynckes gar „für jedes höhere Staatsamt geeignet“.
Auch wenn Heynckes zu den Anfängen von Deutschlands Eliteliga 1963 noch mit Borussia Mönchengladbach in der Regionalliga West spielte - mehr Kind der Bundesliga geht fast nicht. Irgendwo sei das schon „bekloppt“, immer noch dabei zu sein, sagte Heynckes zum Start dieser für ihn bewegenden Saison. Statt sich im Obstgarten des heimischen Bauernhofs um Erdbeeren, Pflaumen oder Kiwis zu kümmern, wollte er eine späte Karriere-Station der besonderen Art zu einem glanzvollen Ende bringen. Und baute nach einem titellosen Jahr an seinem Denkmal im Fußball, „der sich als solcher kolossal verändert hat“.
Dabei hatte Heynckes sich schon zurückgezogen, ehe er in Gladbach und 2009 dann beim FC Bayern noch einmal für fünf Spiele aushalf. Und dieses auch nur, weil Ottmar Hitzfeld seinerzeit nicht einspringen mochte. Immerhin - das kurze Liga-Gastspiel brachte ihn wieder auf den Geschmack: Nach zwei erfolgreichen Jahren bei Bayer Leverkusen führte ihn der Weg nach München zurück.
Der von Rudi Assauer einst beim FC Schalke als nicht mehr zeitgemäß gescholtene und geschasste Fußball-Lehrer gab den Münchnern nach zwei gescheiterten Projekten endlich wieder Zeit zum Durchatmen. Seine Vorgänger, der als allwissender Herrscher auftretende Louis van Gaal und der experimentierfreudige Visionär Jürgen Klinsmann, brachten zwar viel Charisma, aber letztlich auch reichlich Probleme mit. Dagegen besänftigte Heynckes mit seiner sachlichen Art - ein Ruhepol in der immer hektischeren Twitter- und Facebook-Gesellschaft. Und mit gewohnt viel Stil sagte er in München auch „Lebe Wohl“.
Aber Heynckes trat nicht nur als der gute Mensch vom Niederrhein auf, der wie nach der Trennung von Mönchengladbach 2007 den Dienstwagen vollgetankt und gewaschen wieder zurückstellte. Mit klaren Worten verwahrte er sich etwa gegen öffentliche Team-Schelte von Sportvorstand Matthias Sammer oder ließ wohldosiert erkennen, dass ihm nicht alle Details bei der Verpflichtung von Startrainer Pep Guardiola behagt hatten.
Ein Angebot von Vorstandschef Rummenigge für einen Platz im Beirat schlug er vor einigen Wochen postwendend aus. „Ich bin kein Funktionär“, betonte Heynckes, der das aktuelle Team auch schon über die dreifachen Europapokalsieger von 1974 bis 1976 um Kaiser Franz Beckenbauer erhob. Der Wunsch nach größerer Wertschätzung klang wiederholt durch - und die bekam er dann auch. Und zum FC Bayern, das erklärte Rummenigge erneut, kann er immer zurückkehren.
Sein „Werk“, dieses Wort hat Heynckes vor ein paar Wochen einmal benutzt, ist jetzt vollendet. Respekt vor der Lebensleistung ist ihm gewiss, auch wenn er sich die nach eigenen Worten schon einmal „abgeschminkt“ hatte. Gelassener ist er im Alter geworden. Früher aber, das räumte der einst dünnhäutige Fachmann - auch Osram genannt - ein, hätte ihn vieles mehr getroffen.
Als Spieler für seine große Liebe Borussia Mönchengladbach wurde der torgefährliche Stürmer einst als Inbegriff der legendären Fohlen-Elf gefeiert, gewann Meisterschaften und Pokal, siegte im UEFA-Cup, wurde Welt- und Europameister. Dagegen hatte seine Trainer-Karriere auch Stationen mit unglücklichem Ende für ihn parat.
Heynckes erlebte Kuriositäten wie den gebrochenen Pfosten (1971 im Spiel der Gladbacher gegen Werder Bremen) oder das umgefallene Tor (1998 im Spiel von Real Madrid gegen Borussia Dortmund) und erinnerte sich an eine „tolle Begegnung“ mit dem spanischen König Juan Carlos. Nur an seine erste Bundesliga-Partie, das 1:1 im Jahr 1965 in Neunkirchen, hatte er „nicht viel“ Erinnerung.
Im Ausland wurde Don Jupp 1998 mit Real Madrid zwar Champions-League-Sieger, einen Tag später wurde er entlassen. Vorzeitig gehen musste der harmoniebedürftige Familienmensch auch in München: Die Entlassung von 1991 bezeichnete Uli Hoeneß schon als „meinen größten Fehler“. Umso mehr wünschte er ihm erfolgreich alle Titel, „weil Jupp ein großartiger Trainer und toller Mensch ist“. Als erst vierter Coach gewann Heynckes die Königsklasse mit zwei verschiedenen Vereinen.
Vor dem Abschied hatte Heynckes viel orakelt, Raum für Spekulationen gelassen. „Wenn ich sehe, dass Adenauer mit 71 Bundeskanzler geworden und jetzt unser Papst mit 76 ins Amt eingeführt worden ist - dann habe ich auch das Recht, mit 68 darüber nachzudenken, ob ich noch irgendwas mache“, sagte er in dieser Saison. Erst einmal will er nur Privatier sein - und das vielleicht auch bleiben.