HSV braucht Neuaufbau: Führung bleibt, Spieler gehen

Hamburg (dpa) - Bundesliga-Dino Hamburger SV steht unter Artenschutz. Zweimal wurde das letzte Exemplar seiner Spezies in die Fußball-Relegation verwiesen, zweimal hat es sich mit Glück durchgewurstelt.

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Das Urgestein in der seit 52 Jahren existierenden deutschen Eliteliga behält sein Alleinstellungsmerkmal. Nach der zweiten glücklichen Relegation nacheinander kann es ein „Weiter so!“ nicht geben.

Hat der Hamburger SV den Klassenerhalt verdient?

Wenn man den Einsatz des Teams unter Trainer Bruno Labbadia in den zurückliegenden sechs Spielen plus Relegation sieht, ja. Legt man die Entwicklung in den beiden vergangenen Jahren zugrunde, nein. Es war ein mehr als glücklicher Erfolg, der - wie Labbadia meinte - unter Mithilfe höherer Kräfte zustande gekommen sei.

Wäre ein Abstieg des HSV für die Bundesliga ein Verlust gewesen?

Auf jeden Fall. Der HSV ist als „unabsteigbares Gründungsmitglied“ des Oberhauses eine Marke, die kein andere deutscher Profiverein vorweisen kann. Der Verein blickt auf eine große Vergangenheit mit zwei Europapokalsiegen und sechs deutschen Meisterschaften zurück. Sein Name hat Klang in der Fußballwelt. Das WM-Stadion im Volkspark mit 57 000 Plätzen ist ein Schmuckstück. Die zweitgrößte Stadt Deutschlands gehört in die Eliteliga. Im Bezahlfernsehen Sky sind Übertragungen mit dem HSV gern gesehen. In der Zuschauerliste liegt der Verein auf Platz fünf.

Gibt es nach dem Fast-Abstieg personelle Veränderungen?

Nicht in den Führungsgremien. Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer, Profi-Fußballdirektor Peter Knäbel und Direktor Sport Bernhard Peters bleiben im Amt. An der Besetzung im neuen Aufsichtsrat unter Karl Gernandt wird sich vermutlich auch nichts ändern. Beide Gremien arbeiten erst seit dieser Saison miteinander.

Müssen Spieler gehen?

Ja. Die Verträge von Rafael van der Vaart, Marcell Jansen, Heiko Westermann, Slobodan Rajkovic, Gojko Kacar und Ivo Ilicevic laufen aus. Über Westermann, Rajkovic, Kacar und Ilicevic will Sportchef Peter Knäbel mit Trainer Bruno Labbadia noch einmal sprechen. Das ist aber mehr ein Zeichen für die Galerie. Zudem sind Spielerverkäufe nicht ausgeschlossen. Der überzogene Gehaltsetat von 52 Millionen Euro soll auf rund 40 Millionen Euro gesenkt werden. Eine Runderneuerung ist aber nicht in einem Jahr möglich. Das braucht drei bis vier Transferperioden - und natürlich Geld.

Warum lief es nach der Strukturänderung im Sommer sportlich nicht besser als in der Vorsaison?

Wirtschaftlich wurde ein neues Fundament gelegt. Aber die Suche nach Anteilseignern an der HSV AG läuft äußerst schleppend. Bisher waren nur Milliardär und Edel-Fan Klaus-Michael Kühne, Landwirt Helmut Bohnhorst und ein Fan bereit, mit Millionensummen einzusteigen. Sportlich entpuppten sich die meisten Spielertransfers als Fehlschläge. Chefplaner Beiersdorfer hatte keine glückliche Hand. Vier verschiedene Trainer in einer Saison sorgten zudem für ein Kuddelmuddel an Vorstellungen, Strategien und Formationen.

Ist Labbadia der richtige Trainer für die Neuausrichtung?

Er hat sich als goldrichtig für die Rettung erwiesen. Er kann motivieren, beruhigend auf verunsicherte Profis einwirken, Reserven herauskitzeln. Sein Vertrag läuft bis 2016. Ob er der Visionär für den Komplettumbau ist, muss sich erweisen. Labbadia ist kein Thomas Tuchel, der als Konzepttrainer größter Wunsch der Hamburger Führung war. Labbadia muss nachweisen, dass er auf längere Zeit bei einem Verein erfolgreich ist. Im Vergleich zu seinem ersten, einjährigen Engagement in Hamburg (2009 bis 2010) ist er auf jeden Fall gereift.