HSV-Chef Jarchow: Gewaltproblem außerhalb der Stadien
Hamburg (dpa) - Carl-Edgar Jarchow ist Vorsitzender des Hamburger SV und er ist Politiker. Aber gerade seine Kollegen in den Parlamenten knöpft sich der FDP-Mann aus der Hamburger Bürgerschaft vor. Grund ist die jüngste Sicherheitsdebatte im deutschen Fußball, die den Kern des Problems nicht treffe.
„Ich will nicht sagen, dass sich die DFL an die Wand hat drängen lassen. Aber durch die anstehenden Wahlen in Niedersachsen und im Bund wollte sie zeigen, dass sie agiert“, sagte der Hamburger Kaufmann in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa vor dem Rückrundenstart der Fußball-Bundesliga am kommenden Wochenende. „Deshalb hat sie Druck gemacht. Typisch Politik.“
Knackpunkt seiner Kritik in dem zum Jahresende beschlossenen Konzept „Sicheres Stadion“ ist die Fokussierung auf Ausschreitungen in den Stadien. „Aber nicht in den Stadien liegt das Problem, es liegt drum herum: in den Bahnhöfen, an den Raststätten, auf den Wegen zum Stadion“, meint Jarchow. Die meisten beschlossenen Maßnahmen wie Körperkontrollen und Beschränkung der Gästefan-Kontingente seien im bezahlten Fußball längst eingeführt. Gewalt könne nicht durch höheren Polizeiaufwand gelöst werden. „Wir haben eine Mitverantwortung als Veranstalter, aber der Staat darf sich nicht zurückziehen.“ Die Probleme kommen aus der Gesellschaft und seien auch nur so zu lösen.
Um Aggressionen im Umfeld im Keim zu ersticken, hat der HSV seine Fanarbeit umgestellt. Jetzt sind drei Mann im Einsatz, vorher waren es nur zwei. Zwei sind zudem neu. Jarchow: „Wir lassen Leute mit besonderer Ausbildung tätig werden.“ Über Pyrotechnik dürfe man nicht diskutieren. Seit dem Zwischenfall in Düsseldorf in der Hinrunde, als den Fans die eigene HSV-Fahne verbrannte, hätten auch die Anhänger die Gefährlichkeit des Unwesens begriffen: „Manchmal muss es erst so weit kommen, dass die Einsicht wächst. Ich bin froh, dass keine Menschen zu Schaden kamen.“
Angesichts der prekären finanziellen Lage könne der HSV nicht mehr lange ohne Europapokalplatz wirtschaften, ohne den Gehaltsetat zu reduzieren. In den vergangenen zwei Geschäftsjahren wurde ein Verlust von insgesamt 11,48 Millionen Euro geschrieben. Dieser wächst in der laufenden Saison um einen weiteren Millionenbetrag. „Es geht noch nicht an die Substanz, aber auf Dauer können wir nicht jedes Jahr mit einem Minus abschließen. In diesem Jahr schaffen wir wieder keine schwarze Null“, sagte der Hanseat, der in der übernächsten Saison auf Geld aus internationalen Einsätzen hofft.
Jarchow will sich in der prekären Lage nicht selbst Vorwürfen aussetzen. Obwohl er als hauptamtlicher Vorsitzender deutlich weniger als sein Vorgänger Bernd Hoffmann kassiert, sieht er keinen finanziellen Nachholbedarf. „Ich fühle mich nicht unterbezahlt“, meinte er. Die Millionensummen verdienenden Fußballer indes seien Künstler und werden als solche bezahlt. „Ob ich die Summen immer richtig finde, ist etwas anderes“, sagte er.
Um kurzfristig das Loch in der Vereinskasse zu verkleinern, könnte der HSV seinen Torjäger Heung-Min Son veräußern, doch der Vertrag mit dem 20-Jährigen soll eigentlich verlängert werden. Jarchow: „Es gibt immer eine Schmerzgrenze, aber wir wollen Son nicht verkaufen. Er gehört zu einer neuen, jungen Generation bei uns. Aber es gibt auch noch kein konkretes Angebot.“
Auch mit dem Enkel von Uwe Seeler, Levin Öztunali, ist der Club in Gesprächen über einen Verbleib an der Elbe. „Es ist ein Anliegen von uns, Levin hier zu halten, nicht nur, weil er der Enkel von Uwe ist, sondern weil er ein hoch talentierter Spieler ist. Wir tun alles, was wir können und hoffen, dass er hierbleibt und in Hamburg sein Abitur macht.“