HSV entlässt Trainer van Marwijk - Slomka soll kommen

Hamburg (dpa) - Nach nur 143 Tagen hat der Krisen-Club Hamburger SV das Missverständnis mit Trainer Bert van Marwijk beendet. Der abstiegsbedrohte Fußball-Bundesligisten stellte den niederländischen Coach am Samstagabend frei.

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Das teilte der Club nach einer Krisensitzung mit und zog damit die Konsequenzen aus der anhaltenden Talfahrt mit sieben Bundesliga-Niederlagen in Serie. Der HSV hatte das Kellerduell bei Schlusslicht Eintracht Braunschweig 2:4 verloren. Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ soll Ex-Hannover-Coach Mirko Slomka das Traineramt beim Bundesliga-Gründungsmitglied übernehmen.

„Der Vorstand hat einstimmig beschlossen, Herrn van Marwijk mit sofortiger Wirkung freizustellen. Er hat es sehr nüchtern aufgenommen und auch Verständnis gezeigt“, sagte der HSV-Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow. Zu Slomka als möglichen Nachfolger wollte er sich nicht äußern. Sportchef Oliver Kreuzer ergänzte: „Wir sahen uns zum jetzigen Zeitpunkt gezwungen, diese Entscheidung zu treffen, obwohl wir sie gleichwohl bedauern.“ Auch Co-Trainer Roel Coumans wurde beurlaubt.

Van Marwijk hatte erst am 25. September vergangenen Jahres beim HSV die Nachfolge von Thorsten Fink angetreten. Der anfängliche Aufschwung unter dem früheren Bondscoach, der die Niederlande 2010 ins WM-Finale geführt hatte, war aber nur von kurzer Dauer. Der 61-Jährige hatte selbst einen Rücktritt abgelehnt. „Da denke ich gar nicht dran“, hatte van Marwijk nach dem Spiel bei Sky gesagt.

Den Schritt vollzogen dann aber die HSV-Verantwortlichen. Bereits nach dem 0:3 gegen Hertha BSC am vergangenen Wochenende hatten Teile des HSV-Aufsichtsrates die Trennung von van Marwijk gefordert. Jarchow und Kreuzer hatten da aber noch dem umstrittenen Coach eine Job-Garantie bis zum Braunschweig-Spiel ausgestellt und waren daraufhin selbst unter Beschuss geraten. Verhandlungen des Aufsichtsrates mit Felix Magath, der zum starken Mann beim Bundesliga-Gründungsmitglied aufsteigen sollte, scheiterten allerdings. Magath unterschrieb stattdessen am Freitag einen Vertrag beim englischen Premier-League-Club FC Fulham.

Nach dem Debakel in Braunschweig mit erneut haarsträubenden Fehlern sahen sich die Verantwortlichen aber offenbar zum Handeln gezwungen. Nach der Rückkehr aus Braunschweig setzten sich die Bosse zu einer Krisensitzung in der Hamburger Arena zusammen. Kurz darauf fuhr van Marwijk bereits vom Parkplatz.

In Braunschweig hatte ein ratloser van Marwijk die nächste Niederlage einer völlig verunsicherten Mannschaft mitansehen müssen. Als beste Medizin würden „ein, zwei Siege“ helfen, hatte er anschließend gesagt. Dabei wird der frühere Dortmunder Trainer, der in Braunschweig zum 100. Mal in der Bundesliga auf der Trainerbank saß, aber nicht mehr mithelfen können.

Slomka soll jetzt den Traditionsverein vor dem ersten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte bewahren. Zu einer Stellungnahme war der Coach auf dpa-Anfrage am Samstag nicht zu erreichen. Slomka war am 27. Dezember vergangenen Jahres bei Hannover 96 nach fast vier Jahren entlassen worden. Zuvor hatte er die Niedersachsen zweimal in die Europa-League geführt.

Ursprünglich war diese Aufgaben nach Wunsch vieler Aufsichtsratsmitglieder dem früheren HSV-Star Magath zugedacht worden. Doch nach einem tagelangen und geradezu beispiellosen Possenspiel war es zu keiner Einigung gekommen. Umso überraschender, dass Magath in Fulham anheuerte, was DFB-Rekordnationalspieler bei Sky scharf kritisierte: „Er unterschreibt beim FC Fulham, aber bietet sich (beim HSV) als Retter an und verhandelt nebenbei mit einem englischen Verein. Ich weiß ja nicht, was „Fairplay“ bedeutet. Ich glaube, dass das ein No-Go war, was Magath gemacht hat. Er hat viele Leute verarscht.“

So denn Slomka tatsächlich am Sonntag das Traineramt übernimmt, wartet auf ihn ein Berg an Arbeit. Mit nur 16 Punkten schwebt der Club als Vorletzter in höchster Abstiegsgefahr. Auch in Braunschweig ließen die Spieler jegliche Bundesliga-Tauglichkeit vermissen. Im ausverkauften Stadion an der Hamburger Straße schoss vor 23 200 Zuschauern der eingewechselte Domi Kumbela (51., 61. und 85.) sowie Jan Hochscheidt (90.+3) die Tore für die Braunschweiger. Für die Hamburger, die einschließlich des 0:5 gegen Bayern München bereits ihr achtes Pflichtspiel hintereinander verloren, trafen Pierre-Michel Lasogga (23.) und Ivo Ilicevic (76.). „Persönliche Fehler“, beklagte der HSV-Coach: „Man kann fast darauf warten.“

HSV-Verteidiger Marcell Jansen kommentierte: „Wir sollten als Spieler keine Diskussionen anfangen.“ Der Nationalspieler sagte weiter: „Alles, was ich jetzt sagen kann, ist irgendwie falsch. Das werden jetzt schwierige Wochen.“

Nach einer chaotischen Woche mit Trainer-Diskussion und Pokal-Aus wirkten die Hamburger Profis auch gegen das abgeschlagene Schlusslicht verunsichert. Das Niveau des Sports passte zu dem öffentlich ausgetragenen Machtkampf zwischen dem Hamburger Vorstand und dem Aufsichtsrat während der Woche.