HSV geht ins Malente-Trainingslager - Kacar-Appell
Hamburg (dpa) - Der Hamburger SV greift in höchster Abstiegsnot zum letzten Mittel und beschwört den „Geist von Malente“.
Der Fußball-Bundesligist zieht sich für drei Tage in die Abgeschiedenheit der legendären Sportschule in der 11 000 Einwohner zählenden ostholsteinischen Gemeinde zurück und will so den erstmaligen Absturz in die Zweitklassigkeit verhindern. Wo einst Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Wolfgang Overath 1974 sowie Lothar Matthäus, Rudi Völler und Hans-Peter Briegel 1990 den Grundstein für den Gewinn von zwei WM-Titeln legten, will sich der Tabellenvorletzte von dem Mythos inspirieren lassen und Mut schöpfen. Obendrein heißt die eher spartanische Drei-Sterne-Herberge mit Trainingsplätzen seit 2013 Uwe-Seeler-Fußballpark. „Uns Uwe“ - das passt.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit werden die Hamburger von Mittwoch bis Freitag trainieren und das Bundesliga-Saisonfinale gegen den FC Schalke 04 am Samstag (15.30 Uhr) vorbereiten. Trainer Bruno Labbadia will sich nicht in die Karten gucken lassen. „Ab jetzt zählt nur noch der kommende Samstag“, sagte der angeschlagen wirkende Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer. Und weigerte sich, das Wort 2. Liga in den Mund zu nehmen.
Die Reise in die Abgeschiedenheit ist zugleich eine Flucht vor bohrenden Fragen nach Fehlern der Vergangenheit. „Darüber können wir nach dem letzten Spiel sprechen“, erwiderte Beiersdorfer auf kritische Fragen und ergänzte: „Wir sollten uns bei der wenigen verbleibenden Zeit jetzt nicht in kleinen Einzel-Diskussionen verstricken.“ So lange noch ein Fünkchen Hoffnung besteht, soll keine Demontage der Protagonisten vorgenommen werden. Schmutzige Wäsche wird anschließend gewaschen.
Labbadia ist als Psychologe gefordert. „Wir haben uns ein Stück weit kaputtgemacht“, lautete seine Analyse nach dem erschreckenden Auftritt beim VfB Stuttgart (1:2), der auf Hamburger Seite so gar nichts mit Abstiegskampf zu tun hatte. Der 49 Jahre alte Hesse, der der Mannschaft seit seiner Amtsübernahme wieder Leben eingehaucht und zu sieben Punkten in Serie geführt hatte, bangt nach dem bösen Rückfall um die Widerstandsfähigkeit seiner Kicker.
Je größer der Druck, desto weicher die Knie beim HSV. Und gerade jetzt kann nur ein Sieg am Samstag die Hoffnung auf weitere Zugehörigkeit zur Eliteliga erhalten. Das Dilemma: Die Norddeutschen haben es dabei nicht mehr in der eigenen Hand, einziges niemals abgestiegenes Bundesliga-Gründungsmitglied zu bleiben. Die Konkurrenten in den Partien SC Paderborn gegen VfB Stuttgart und Hannover 96 gegen den SC Freiburg müssen die entsprechenden Resultate liefern, damit sich der HSV vorübergehend auf den Relegationsplatz oder gar auf den sicheren 15. Rang retten kann.
„Wir als Mannschaft sind in der Pflicht. Oft wurden hier die Trainer gewechselt, die Ergebnisse sind die gleichen geblieben. Wir können uns nicht immer auf andere verlassen. Wir müssen es selbst lösen“, forderte Mittelfeldakteur Gojko Kacar dem „Kicker“. Der Serbe stellte sich und seinen Teamkameraden ein schlechtes Zeugnis aus. „Der Kopf ist unser Problem. Schon das Freiburg-Spiel (1:1) war deutlich schlechter als die Partien davor, in Stuttgart haben nur alle gehofft, dass jemand hilft, keiner hat Verantwortung übernommen“, bemängelte der in den vergangenen Jahren mal suspendierte, mal strafversetzte, mal abgeschobene und nun gefeierte Torschütze Kacar. Seine Forderung ist eindeutig: „Wir müssen mit Druck umgehen können, wir sind keine Kinder.“