Dem Abstieg ganz nah HSV taumelt Richtung Zweite Liga
Bremen (dpa) - War es das schon für den Hamburger SV? Die berühmte Uhr im Volksparkstadion tickt zwar immer noch munter vor sich hin. Doch die Wahrscheinlichkeit ist drastisch gestiegen, dass dies im Mai Geschichte ist.
Nach der Derby-Niederlage gegen Werder Bremen beträgt der Rückstand auf den VfL Wolfsburg auf dem ersten Nichtabstiegsplatz acht Punkte. Selbst der Relegationsrang, quasi ein fester Bestandteil der HSV-DNA, ist sieben Zähler entfernt. Eine weitere Niederlage gegen den Tabellen-16. FSV Mainz 05 am nächsten Samstag und der HSV wäre wohl endgültig nicht mehr zu retten.
„Wir sind der HSV, wir haben es immer geschafft“, sagte Hamburgs Stürmer André Hahn zwar nach dem 0:1 (0:0) im Weserstadion. Doch flotte Sprüche helfen den Hamburgern auch nicht weiter. Dafür ist die Bilanz einfach zu verheerend. Nur vier Siege in 24 Spielen, noch immer kein Dreier unter Neu-Coach Bernd Hollerbach und lediglich 18 mickrige Törchen. Das sind die Zahlen eines Absteigers.
Um die Kräfte zu bündeln, will Hollerbach mit seinem Team vor dem wichtigen Mainz-Spiel ein Trainingslager beziehen. Das zeigt, dass er trotz aller Rückschläge nicht aufgeben will. „Wenn wir am Samstag die Mainzer besiegen, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus“, sagte der Ex-Profi am Sonntag im Volksparkstadion.
Von Heribert Bruchhagen erhielt der Gisdol-Nachfolger trotz des fünften sieglosen Spiels unter seiner Regie klare Rückendeckung. Die Frage, ob ein erneuter Trainerwechsel vorstellbar sei, verneinte der Vorstandschef beim TV-Sender Sky: „Nein, diesen Gedanken haben wir nicht im Ansatz. Wir sind uns sicher und selbstkritisch genug, dass unser Tabellenplatz das Resultat vieler Entscheidungen ist. Damit hat Bernd Hollerbach nichts zu tun. Er arbeitet hervorragend mit der Mannschaft, er arbeitet authentisch und glaubwürdig.“
André Hahn, Filip Kostic, Aaron Hunt und Bakery Jatta mühten sich zwar redlich, eine wirklich hundertprozentige Chance bekamen sie aber nicht zustande. Sechs Torschüsse wies die Statistik am Ende aus - Gefahr löste keiner davon aus. Auch in Bremen rächte sich wieder, dass der HSV in der Winterpause in der Offensive nicht nachbesserte. Zwar erklärte Bruchhagen erneut, dass der klamme Club dafür kein Geld gehabt habe. Der erste Abstieg der Vereinsgeschichte wird dem einst ruhmreichen HSV am Ende aber deutlich teurer zustehen kommen.
Dass die Niederlage in Bremen auch noch durch ein höchst umstrittenes Tor besiegelt wurde, passt zum Niedergang des sechsmaligen deutschen Meisters. Die HSV-Profis waren auf jeden Fall außer sich, als sie auf den Fernsehgeräten in den Katakomben den später als Eigentor von Rick van Drongelen gewerteten Treffer zu sehen bekamen. „Das ist doch Abseits“, schimpfte Kyriakos Papadopoulos und schickte ein Schimpfwort in Richtung Schiedsrichter Felix Zwayer hinterher.
In der Tat konnte man zu der Erkenntnis kommen, dass Ishak Belfodil im Abseits stand. „Das muss mir mal jemand erklären, wie man da nicht auf Abseits entscheiden kann“, ereiferte sich Bruchhagen. „Dann sagt das auch etwas über die Qualität derer aus, die in Köln sitzen“, sagte Bruchhagen mit Blick auf den Videoassistenten Günter Perl. Am Sonntag entschuldigte er sich für diese Attacke.
Hollerbach war sich zwar bei der Frage „Abseits oder nicht“ nicht komplett sicher. Dafür hatte der HSV-Coach „ein klares Foul“ an van Drongelen gesehen. Das wiederum beurteilte Schiedsrichter Zwayer anders. „Am Ende ist eine korrekte Entscheidung getroffen worden“, sagte der Unparteiische, der wegen unzähliger Pyro-Vergehen einiger HSV-Anhänger die Partie drei Mal unterbrechen musste.
Die Bremer wollten sich mit den Diskussionen nicht lange aufhalten. Sie genossen den Sieg gegen den ungeliebten Nachbarn. „Das war ein Sieg für die ganze Stadt“, sagte Matchwinner Belfodil. Doch gerettet ist auch Werder längst noch nicht. Zwar liegt der HSV neun Punkte zurück, der Vorsprung auf Platz 16 beträgt aber nur zwei Zähler.
Spielerisch ließen die Grün-Weißen ebenfalls sehr viel vermissen. Doch das interessierte niemanden. „Zweite Liga, Hamburg ist dabei“, schallte es nach dem 108. Nordderby minutenlang durch das Stadion. Die Wahrscheinlichkeit, dass es das letzte Nachbarschaftsduell für zumindest eine Saison war, ist seit Samstag größer denn je.