HSV vor Derby gegen Bremen: „Wir brauchen Galligkeit“

Hamburg (dpa) - In den Nordderbys zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen steckt Abneigung pur, und jetzt geht es auch noch um den Klassenerhalt. Die Fans beider Lager prophezeien vor dem 104. Bundesliga-Duell: Am Freitagabend (20.30 Uhr) brennt die Luft im Volksparkstadion.

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„Ich glaube, dass das ein Hexenkessel werden kann. Unsere Fans sind heiß auf das Derby“, betont HSV-Trainer Bruno Labbadia und fordert: „Wir brauchen Galligkeit.“

Nur 70 Stunden nach dem Pokal-Aus bei Bayern München hoffen die Hamburger auf müde Gäste, doch Werder will hellwach und mutig sein. „Wenn wir Angst haben, können wir hierbleiben. Wir wollen nicht nur Sprüche bringen, sondern die gute Leistung bestätigen“, sagt Coach Viktor Skripnik und ergänzt: „Schade, dass wir drei Spiele in sechs Tagen haben. Aber die Spieler wollen wieder volle Kanne spielen.“ Vor dem Risikospiel werden die 6500 Bremer von den Hamburger Anhängern getrennt, Bier gibt es nur alkoholfrei.

Labbadias Forderung nach galliger Spielweise hat einen plausiblen Grund. Seinem Team fehlte in den jüngsten Partien die Aggressivität, der unbedingte Siegeswille. Es fehlte die Körpersprache, die dem Rivalen signalisiert: Wir zerreißen uns auf dem Rasen! Stattdessen bauten die Hamburger ihre Rivalen auf. Und jetzt kommt ausgerechnet der Erzrivale, der den HSV schon so oft gedemütigt hat. Unvergessen sind die Wochen des Grauens 2009, als Werder in drei Wettbewerben als Sieger hervorging. Zum ersten Mal auf der anderen Seite steht der langjährige Bremer Aaron Hunt. „Er kann ein entscheidender Mann werden“, hofft Labbadia.

Die Tendenz an der Elbe weist wieder nach unten, die an der Weser nach oben. „Wenn wir so weiterspielen, bleiben wir in der Liga“, behauptet Stürmer Claudio Pizarro. Werder wittert seine Chance, nachdem der HSV vor heimischem Publikum in dieser Saison mit keinem Team aus dem Tabellenkeller zurechtgekommen ist. Werders leicht angeschlagener Regisseur Zlatko Junuzovic erwartet „ein richtiges Druckspiel“.

Die Hamburger (Platz 12) haben nur noch drei Punkte Vorsprung auf die Gäste, die den Relegationsplatz einnehmen. Gewinnt Werder, reißen sie den ungeliebten Nachbarn erneut tief in den Abstiegs-Schlamassel. Der Spott über den möglichen Relegations-Hattrick der Hamburger macht bundesweit die Runde. Zweimal haben sich die Elbestädter in den Vorjahren zwar gerettet, doch irgendwann ist das Glück aufgebraucht.

Der HSV hat keinen Individualisten wie Pizarro (13 Tore) in seinen Reihen. Schon gar nicht im Angriff. Ob Pierre-Michel Lasogga (6 Tore), Sven Schipplock (0) oder Artjoms Rudnevs (2) - Trainer Labbadia lässt das Trio rotieren, findet aber keine Optimallösung. Die bittere Erkenntnis: In der Bundesliga ist der HSV-Sturm nicht konkurrenzfähig. „Wir leben extrem vom Kollektiv. Wir leben nicht von der individuellen Klasse“, bekennt Labbadia.

Dennoch sieht er ausreichend Potenzial, sich mit seiner Mannschaft rechtzeitig vor Toreschluss in Sicherheit zu bringen. „Wir haben es selber in der Hand. So eine Situation passt mir“, sagt der HSV-Coach. Im vergangenen Jahr war er von der Konkurrenz abhängig. Diesmal reichen eigene Siege. „Der Glaube an das Gewinnen sollte größer sein als das Denken an das, was passieren könnte, wenn es nicht klappt“, lautet seine Maxime. Glücksbringer Uwe Seeler fehlt erstmals seit Jahren wegen Rückenschmerzen - er drückt vom Sofa aus die Daumen.

Die Hamburger müssen auf den rotgesperrten Torhüter René Adler und den verletzten Albin Ekdal verzichten. Für Labbadia ist der Einsatz von Ersatz-Keeper Jaroslav Drobny kein Grund zur Beunruhigung: „Drobo ist ein abgewichster Hund.“ Bei Werder sind alle an Deck. Die Stimmung ist nach dem 3:2 gegen Wolfsburg und dem kämpferischen Pokal-Aus bei den Bayern umgeschlagen. Sie haben die Lust am Fußballspielen wiederentdeckt.