Wenig Offenheit Keine Fragen, bitte! - Spitzenclubs wenig diplomatisch

Berlin (dpa) - Borussia Dortmund hat sich bis zum Saisonende jegliche Nachfragen zum neuen Trainer Thomas Tuchel verbeten, die Bayern gingen noch restriktiver vor. Unbequeme Fragen sind in der Fußball-Bundesliga oft unerwünscht.

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Mehrfach fiel der Sprecher des Rekordmeisters bei einer Pressekonferenz vergangene Woche den Journalisten ins Wort, die Trainer Pep Guardiola zum überraschenden Rücktritt von Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt befragen wollten.

„Für Fußballvereine ist es im Vergleich zu anderen Unternehmen oft schwieriger, das richtige Maß der Offenheit und Transparenz herzustellen“, sagt Holger Schramm, Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation an der Universität Würzburg. Bundesligaclubs seien wegen des enormen Fußballinteresses in der Gesellschaft permanent - nicht nur in Krisen- und Erfolgszeiten - Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Die Erwartung der Medien sei deshalb, „dass auch täglich transparent Rede und Antwort gestanden wird“.

Dieser hohen Erwartungshaltung wollen die Vereine nicht mehr ständig entgegenkommen. „Heute gibt Bayern-Trainer Pep Guardiola nicht einmal mehr Interviews. Trainer werden in der Kabine vom eigenen Verein überwacht“, beklagte Trainer-Routinier Peter Neururer diese Woche in der „Sport Bild“.

In puncto Tuchel untersagten jüngst auch der Hamburger SV, bei dem der Coach im Gespräch war, und Mainz 05 als ehemaliger Arbeitgeber Fragen nach Tuchel. Bei Werder Bremen verhängte die Sportliche Leitung ihren Spielern zuletzt einen Maulkorb nach einer Niederlage - so, wie es andere Clubs auch schon getan hatten.

Erich Laaser, Präsident des Verbandes Deutscher Sportjournalisten, hält diese Entwicklung für sehr bedenklich: „Journalisten haben eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Wenn man schon im Vorhinein bestimmte Themen verbietet, ist es schlicht Zensur“, kritisiert er.

Rechtlich allerdings machen sich die Clubs kaum angreifbar, weil sie eine andere Stellung als etwa politische Parteien haben. Fußballclubs, die ihre Profiabteilungen oft in Kapitalgesellschaften ausgliedern, sind in erster Linie Wirtschaftsunternehmen. „Und wie jedes andere Unternehmen haben Vereine das Recht, Fragen strategisch auszuweichen oder sie nicht zu beantworten“, betont Medienexperte Schramm. Das sei mit dem „demokratisch legitimierten Presserecht“ vereinbar. Zwar hätten Reporter die Möglichkeit, Fragen zu stellen, „aber die Vereine haben keine transparente Auskunftspflicht“.

In der Politik bestünden andere Rahmenbedingungen, sagt Thomas Horky, Professor für Sportjournalismus an der Macromedia-Hochschule in Hamburg, etwa das Recht auf umfassende Meinungsbildung für die Bürger. Vereine als private Unternehmen seien dagegen juristisch unabhängig, hätten zum Beispiel auch im Stadion ein Hausrecht.

Souverän seien derart restriktive Verhaltensmuster der Vereine gleichwohl nicht - und langfristig auch nicht clever, glaubt Horky. Aus Sicht der Clubs sei es zwar zunächst ein wertvolles Gut, die Kommunikation ein Stück weit steuern zu können. „In Zeiten der sozialen Netzwerke ist es aber nicht besonders sinnvoll und sogar äußerst problematisch, weil sich die Informationen mit hoher Geschwindigkeit sofort überall verbreiten“, mutmaßt der Experte. Auch Schramm hält das Abbügeln kritischer Nachfragen für die falsche Strategie: „Das wirkt wenig demokratisch und kommunikativ.“

Weil Bayern-Sprecher Markus Hörwick bei der Guardiola-Pressekonferenz mehrfach einschritt, stellte „Spiegel Online“ seinen Live-Ticker ein. „Unbequeme Fragen - nein danke. Stattdessen soll nur über das geredet werden, was sich der Club wünscht. Das möchten wir an dieser Stelle nicht weiter unterstützen und klinken uns aus. Ihnen einen schönen Tag“, begründeten die Journalisten ihre Entscheidung.

Künftig würden die Vereine in Sachen Kommunikation aber eher noch strikter vorgehen als jetzt schon, prognostiziert Horky. Denn der Sportjournalismus sei stark abhängig von den Vereinen. „Wer sich kritisch äußert, geht das große Risiko ein, von der künftigen Kommunikation ausgeschlossen zu werden“, sagt er.

Auch, weil die starke Macht der hauseigenen Kommunikation finanzstarker Clubs immer deutlicher spürbar werde, gelinge es Journalisten immer seltener, exklusiv an Hintergrundinfos heranzukommen. Die Politik der Vereine sei aber aus eigener Sicht nur „konsequent“, wie Schramm es ausdrückt. Letztlich müssten die Clubs wie Unternehmen denken. „Die falsche Kommunikationsstrategie kann in einer Krise dazu führen, dass ein an der Börse gehandelter Verein an einem Tag die Hälfte seines Marktwertes verliert“, sagt Schramm.