Keine Ruhe im Fall Hoeneß: Aufsichtsräte in der Kritik

München (dpa) - Die Hoffnung der Bayern-Aufsichtsräte auf Ruhe in der Steueraffäre um Uli Hoeneß bleibt vor den Finalwochen der Münchner Rekordsaison fürs erste unerfüllt.

Mit ihrem bemerkenswerten 8:0-Votum für den geständigen Steuersünder an ihrer Spitze lösten die Kontrolleure des deutschen Fußball-Rekordmeisters eine Welle der Kritik aus. Spitzenpolitiker und Experten für saubere Unternehmensführung bewerteten das Festhalten an Hoeneß als Fehler und verpasste Chance. Erfahrene Beobachter unterstellen den Aufsichtsräten Instinktlosigkeit und die Missachtung eigener Regeln.

Dabei wollten die Räte eine neuerliche Debatte um den brisanten Fall eigentlich vermeiden. „Im Interesse des FC Bayern“ habe man vor dem Champions-League-Finale am 25. Mai und dem DFB-Pokalfinale eine Woche später keinen Rückzug von Hoeneß erwirkt, erklärte das Gremium. Volle Konzentration aufs Triple, heißt die Devise. Für diesen Kurs aber erntete Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer, der auch Hoeneß-Vize im Bayern-Aufsichtsrat ist, prompt heftigen Widerspruch auf der Hauptversammlung des Sportartikelherstellers in Fürth.

Auch Timotheus Höttges, Finanzvorstand von Bayern-Hauptsponsor Telekom, musste sich bei einer Telefonkonferenz kritische Nachfragen zum Thema Hoeneß anhören - eine Stellungnahme lehnte er ab. Hainer verteidigte indes das Votum pro Hoeneß. „Wir sollten ihn nicht vorverurteilen, sondern abwarten, was Gerichte und Behörden beschließen“, sagte der Adidas-Boss. Das Unternehmen hält 9,1 Prozent an der FC Bayern AG. Daneben ist auch Autobauer Audi an dem Club beteiligt. Neben dem Chef der VW-Tochter, Rupert Stadler, sitzt auch VW-Boss Martin Winterkorn im Aufsichtsrat des Vereins.

Aktionärsschützer beobachten das Vorgehen des Aufsichtsrats mit Sorge. Wie ein „dunkler Schatten“ liege die Dauerdiskussion um Hoeneß über den Erfolgszahlen des Adidas-Konzerns, sagte Gerhard Jäger von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und forderte den Rücktritt des Bayern-Chefs von allen Ämtern.

Schwere Bedenken äußerten Compliance-Fachleute, die auf die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien in Unternehmen achten. „Es war auf alle Fälle eine problematische Entscheidung, Uli Hoeneß im Amt zu belassen“, befand der Vorstand des Bundesverbands Compliance, Henning Herzog, im Deutschlandfunk.

Die Compliance-Kodizes von Firmen enthalten vielfach auch ethische Aspekte. Damit kommt es nicht allein auf eine Anklage oder Verurteilung vor Gericht an, auch moralisch fragwürdiges Verhalten erfordert im Sinne der Verhaltensregeln bereits ein Eingreifen.

Hoeneß hatte sich per Selbstanzeige zu seinem Steuervergehen bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ein Haftbefehl gegen ihn wurde außer Vollzug gesetzt. Die acht Mitglieder des Bayern-Aufsichtsrats hatten am Montag dennoch einstimmig beschlossen, dass Hoeneß sein Amt nicht ruhen lassen oder aufgeben soll

Christian Strenger, Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, sagte der „Welt“ (Mittwoch): „Es ist nicht gut, wenn ein Aufsichtsrat zu erkennen gibt: So schlimm ist eine zugegebene Steuerhinterziehung ja nicht.“ Dies widerspreche der Politik der Vorstände von VW, Audi, Adidas und Telekom, die sich in ihren Konzernen der sauberen Unternehmensführung verpflichtet haben. „Es ist nicht konsequent, wenn Vorstandschefs in den großen Konzernen auf Sauberkeit achten und dann als Aufsichtsräte beim FC Bayern die Zügel locker lassen“, kritisierte Strenger.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zeigte sich verwundert. „Ich kann nur hoffen, dass die Vorstandsvorsitzenden und Vertreter von Audi, Telekom, Adidas und Burda, die im Aufsichtsrat der Bayern sitzen, sich über die Reichweite ihrer Verpflichtung im Klaren waren, als sie beschlossen, dass der Fall Hoeneß keine Konsequenzen für Bayern München haben soll“, sagte Steinmeier in einem Interview der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sieht „einen Ausdruck von Kumpanei“ im Verhalten der Bayern-Aufsichtsräte. „Wie wollen die alle eigentlich noch gegen Korruption in den eigenen Unternehmen vorgehen?“, fragte Künast in der ARD-Sendung „Menschen bei Maischberger“.

Die Vereinsführung des FC Bayern hatte das Votum der Aufsichtsräte dagegen mit Blick auf die entscheidenden Saisonwochen begrüßt. Die Entscheidung sei ein „Beweis der Qualität, Einheit und Stärke dieses Gremiums“, sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Eine Entmachtung von Hoeneß hätte die Finalwochen mit der Aussicht auf das historische Titel-Triple mit einer Führungsdebatte belastet.