Köln gegen Gladbach - Rheinische Eskalationsstufen

Nach einem neuerlichen Vorfall im Fußball-Derby zwischen Köln und Mönchengladbach ist das Verhältnis der Clubs belastet. Wieder ist es ein Fahnenklau.

Der Fahnendieb rennt mit Beute unverfolgt über den Rasen zurück in den Kölner Fanblock.

Foto: Imago/dpa

Köln. Wenn es nicht so gefährlich wäre, müsste man darüber lachen — und zur Tagesordnung übergehen. Aber weil es dann eben doch kein Spiel ist, macht das niemand, und die ganze Angelegenheit wirkt nach: Der ominöse Fahnenklau eines Kölner Chaoten vom Gladbacher Fanblock-Zaun, der am Sonntag das Fußball-Erstliga-Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach weit mehr prägte, als es vielen lieb sein wird, ist seit Tagen Thema zwischen den Vereinen.

Der Zwist zwischen Borussias Geschäftsführer Stephan Schippers und Köln Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle hallt nach. Schippers — das wird in einem vereinseigenen Interview auf der Internetseite von Borussia Mönchengladbach deutlich — kann nicht nachvollziehen, dass die Kölner Verantwortlichen bis heute keine Antworten auf brisante Fragen haben: Wie konnte es sein, dass ein Kölner Fan in den Besitz einer Ordnerweste gekommen ist, mit der er in der Halbzeitpause seelenruhig über den Rasen zum Gladbacher Fanblock marschieren konnte? Warum hat der Kölner Ordnungsdienst nicht eingegriffen? Und: Warum konnte der Mann völlig unbehelligt zurück in die Kölner Fankurve flüchten? „Wir sind gespannt auf die Antworten. Wir haben berechtigten Anlass zu der Sorge, dass die in den vergangenen Jahren erreichte Beruhigung der Gemüter auf beiden Seiten jetzt leider ein Ende hat“, sagte Schippers.

Tatsächlich ist die Geschichte des rheinischen Derbys, bei dem die Anhänger seit jeher in tiefer Abneigung verbunden sind, voll von Konfrontationen.

Nur vier Beispiele: Als sich die beiden Traditionsclubs im April 2008 in der 2. Liga gegenüberstanden, sorgte der in die Derby-Geschichte eingegangene erste „Fahnenklau“ für Zündstoff: Kölner Anhänger hatten ein Stofftuch aus gestohlenen Mönchengladbacher Fanprojektfahnen während des Derbys sichtbar im eigenen Fanblock zerrissen. Aus dem Mönchengladbacher Block flogen hernach Leuchtraketen auf das Feld.

Auch beim Wiedersehen in der 1. Liga wirkte das nach: Beim Kölner 2:1-Sieg in Mönchengladbach flogen Flaschen, Rauchbomben, Steine und Knallkörper. 200 FC-Fans suchten, das Borussen-Fanhaus zu stürmen, nachdem die Kölner Shuttle-Busse auf der Aachener Straße von Gladbacher Hooligans mit Leuchtraketen beschossen worden waren.

2012 sollen Mitglieder der „Wilden Horde“ — eine Kölner Ultra-Gruppe — vermummt einen Fan-Bus von Borussia Mönchengladbach auf einem Rastplatz bei Siegburg angegriffen und dabei versucht haben, den Bus auf der A 3 mit ihren Autos auszubremsen und abzudrängen.

Und 2015 stürmten etwa 30 FC-Chaoten in weißen Overalls nach der Derbyniederlage in Mönchengladbach am 14. Februar den Platz. Jagdszenen und Handgreiflichkeiten mit Polizei und Ordnungskräften, inklusive. Zwei Randalierer wurden festgenommen, ein Polizist wurde verletzt, zahlreiche Stadionverbote ausgesprochen.

Erst danach ist es beiden Vereinen gelungen, durch vermittelnde Arbeit der Fanprojekte und eine vereinsübergreifende Vorbereitung mit der Polizei auf die Derby-Spieltage zu ruhigeren Vergleichen zu kommen. Eben bis zum Sonntag. Von der Aktion in der Kölner Arena könnte nach Schippers’ Ansicht wieder Gefahr für künftige Derbys ausgehen. Schippers hält den Vorfall, der inzwischen vom DFB-Kontrollausschuss untersucht wird, für angeheizt. Im Interview sagt er: „Wenn ich dann noch mitbekomme, dass dieser Fahnenklau unter den Augen des 1. FC Köln in Köln von vielen Seiten als Erfolg über den ungeliebten Erzrivalen gefeiert wird, habe ich nicht das Gefühl, dass man dort ernsthaft daran arbeitet, dass die Derbys zwischen unseren Klubs auch in Zukunft in Frieden ausgetragen werden können. Wir lassen uns gerne vom Gegenteil überzeugen.“

Aus den Kölner Foren wird den Gladbachern unterdessen völlig zerstörte Gäste-Toiletten in der Nordkurve vorgehalten. Zudem sei das Verhalten der Gladbach-Anhänger nicht — wie von Schippers behauptet — besonnen gewesen, sondern nur mit Polizei-Kräften im Zaum zu halten gewesen.

So geht das weiter, ein Vowurf jagt den nächsten. So hat Kölns Finanz-Geschäftsführer Wehrle sich gegenüber dem „Kölner-Stadtanzeiger“ darüber mokiert, dass Schippers von den Kölnern nun öffentlich und publikumswirksam Antworten einfordere, „nachdem wir bereits am Montag miteinander telefoniert hatten“. Wehrle habe dabei wohl versichert, „dass der 1. FC Köln alles tut, um den Vorfall zu klären und zu ahnden“. Ganz so schwierig dürfte das nicht sein: Der Fahnendieb ist auf den einschlägigen Fotos aus dem Kölner Stadion ja durchaus gut zu erkennen.