Magath: „Ein Graus für mich, abzusteigen“
Wolfsburg (dpa) - Felix Magath ist seit gut einer Woche zum zweiten Mal Trainer beim VfL Wolfsburg. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa äußert er sich zur aktuellen Situation beim Tabellen-Vorletzten und seinen Zielen mit dem VfL.
Als Sie als VfL-Trainer vorgestellt wurden, hatten Sie nur wenig Kleidung im Gepäck. Haben Sie das Problem mittlerweile gelöst?
Magath: „Die Situation hat sich wesentlich verbessert. Ich habe schon einen Großteil jetzt nach Wolfsburg geholt und bin inzwischen so weit, dass ich auch die Unterhose wechseln kann.“
2009, als Sie gingen, war der VfL Meister. Nun steht er auf einem Abstiegsplatz. Was ist aus Ihrer Sicht schief gelaufen?
Magath: „Eigentlich will ich dafür keine Erklärung liefern. Tatsache ist, es gab eine Mannschaft, die funktioniert hat und die Zukunft hatte. Es gab keinen Leistungsträger, der nicht weiter unter Vertrag stand. Ich glaube, dass man nicht genug darauf geachtet hat, das Funktionierende zu erhalten oder zu verbessern.“
Werden Sie den Kader im Sommer groß verändern?
Magath: „Ich habe nicht vor, hier wieder einen großen Umbruch zu machen. Es kommt darauf an, ob die Spieler, mit denen ich bislang nicht zusammengearbeitet habe, bereit sind, meinen Weg mitzugehen. Wenn das der Fall ist, bin ich überzeugt, schon in der kommenden Saison mit dieser Mannschaft die Ziele angehen zu können, die zwischen mir und dem Aufsichtsrat besprochen worden sind. Also möglichst jedes Jahr international dabei zu sein. Die Spieler haben ohne Zweifel die Qualität. Wenn ich diesen Kader so in der kommenden Saison betreue, bin ich überzeugt, um die ersten fünf Plätze mitspielen zu können.“
Ein Neuzugang mit Srdjan Lakic aus Kaiserslautern steht bereits fest. Ihn hat noch Dieter Hoeneß verpflichtet. Hätten Sie ihn auch geholt?
Magath: „Ich bin bereit, mit jedem Spieler, der hier ist, zusammenzuarbeiten. Aber nach meinen Vorstellungen, denn ich muss es verantworten. Wenn Lakic das erfüllt, was ich von einem Stürmer erwarte, wird er spielen. Das entscheidet er also im Grunde selbst.“
Wie hoch ist der psychologische Anteil, wenn Sie mit Medizinbällen arbeiten? Das gilt ja nicht als modern.
Magath: „Da lasse ich mich von außen nicht verrückt machen. Ich habe immer schon mit Medizinbällen gearbeitet. Meines Wissens gibt es genügend Spitzensportler außerhalb des Fußballs, die regelmäßig mit Medizinbällen arbeiten. Das ist einfach ein gutes Trainingsmittel. Da ist es mir egal, ob jemand glaubt, dass das modern ist oder nicht.“
Was verstehen Sie eigentlich unter einem Konzepttrainer?
Magath: „Es gibt sicherlich hundert Wege, erfolgreich zu sein. Ich kenne aber nur einen Weg. Und zwar einen, der Mannschaften, die ich trainiert habe, ganz nach oben geführt hat. Es war ja als Trainer immer auch mein Ziel, die Champions League zu gewinnen. Diesen Ehrgeiz habe ich noch immer. Dahin zu kommen, bedeutet für mich, den Weg zu gehen, den ich selbst erfahren habe. Denn damit bin ich als Spieler mit meinem Trainer selbst Champions-League-Sieger geworden. Der Mensch, der Körper hat sich den letzten 30 Jahren nicht so sehr verändert. Verändert hat sich vor allem das Drumherum.“
Über welchen Zeitraum ist es denn überhaupt realistisch, wieder einen Titel mit dem VfL zu holen?
Magath: „Das kann ich jetzt auch nicht sagen. Es war damals eigentlich unrealistisch, die Meisterschaft nach zwei Jahren zu schaffen - und trotzdem ist es passiert. Jetzt gilt meine Konzentration allein der aktuellen Situation. Die ist schwieriger als viele glauben.“
Welche Rolle spielt Arne Friedrich, den Hoeneß von Hertha holte?
Magath: „Selbstverständlich wird er, wenn er seine Fähigkeiten umsetzt, hier eine gute Rolle spielen. Als Innenverteidiger schätze ich ihn.“
Sie spielen in den verbleibenden vier Heimspielen ausschließlich gegen direkte Konkurrenten. Sehen Sie das als Vor- oder Nachteil?
Magath: „Ich sehe es nicht als Vorteil. Mir wäre es lieber, wenn auch noch Mannschaften von oben kommen würden. Denn die spielen erfahrungsgemäß mehr mit. Ich weiß nach den paar Tagen jetzt noch nicht, wie gut unsere Offensive ist. Ich habe den Eindruck, dass Grafite voll da ist. Das ist übrigens etwas, dass mich sehr wundert, dass man auf diesen Spieler in den letzten Monaten nicht so großen Wert gelegt hat. Ich empfinde ihn momentan so, wie ich ihn verlassen habe. Ich kann es nicht verstehen, warum er in den letzten anderthalb Jahren hier nur eine Nebenrolle gespielt hat.“
Gruselt es Sie eigentlich, dass es in der kommenden Saison anstatt gegen Daum vielleicht gegen Aue oder Paderborn gehen könnte?
Magath: „Es war schon immer ein Graus für mich, abzusteigen. Auch jetzt. Aber ich bin jetzt beruhigter als in den ersten Tagen hier. Und dennoch gehe ich natürlich hier ein hohes Risiko. Ich bin ja noch nie abgestiegen. Ich habe bis jetzt alle Mannschaften, die ich im Abstiegskampf übernommen habe, da unten rausgeholt. Trotzdem weiß ich auch, dass das keine Garantie ist, dass das jetzt wieder passiert. Das wäre nicht nur für den Verein, sondern auch für mich persönlich eine Katastrophe.“
Nach dem Frankfurt-Spiel geht es direkt zu Ihrem Ex-Club Schalke. Freuen Sie sich oder sind da eher gemischte Gefühle?
Magath: „Mir war ja bewusst, als ich hier zugesagt habe, dass das Spiel ansteht. Ich habe ja schon öfter gegen ehemalige Mannschaften von mir gespielt, aber das ist natürlich etwas Besonderes. So, wie die letzten Wochen gelaufen sind. Mit dem schnellen Wechsel hierher ist das etwas, was ich auch noch nie erlebt habe.“
Es gab Kritik daran, dass Sie nur zwei Tage nach Ihrem Ende auf Schalke schon wieder den nächsten Bundesligisten übernommen haben.
Magath: „Ich weiß nicht, wie Leute das beurteilen können. Der einzige, der damit ein Problem hat, bin doch ich. Natürlich hätte ich lieber eine Pause gemacht. Es ist ja nicht so, dass die letzten Wochen meiner Tätigkeit freudvoll und stressfrei waren. Von daher musste ich das mit mir ausmachen: Will ich jetzt in dieser Verfassung in einen Abstiegskampf rein gehen? Am Ende war es eine Entscheidung für den VfL Wolfsburg. Nach dem 14. Mai brauche ich dann aber richtig Urlaub.“
Hätten Sie also jeden anderen Verein erst später übernommen?
Magath: „Zu 100 Prozent ja. Ich habe ja gemerkt, dass man mir hier sehr positiv gegenüber steht. Ich wusste, dass hier mit VW-Chef Martin Winterkorn, der seinen Vertrag ja verlängert hat, in den nächsten Jahren Kontinuität bei Volkswagen herrschen wird. Ich habe damals den Fehler gemacht, zu wenig Kontakt zu Professor Winterkorn zu haben, sonst wäre ich wahrscheinlich gar nicht weggegangen.“