Matthäus: „In der 3. Liga fange ich nicht an“
Frankfurt/Main (dpa) - Gut gelaunt erscheint Lothar Matthäus zur Präsentation seines Buches „Ganz oder gar nicht“ auf der Frankfurter Buchmesse. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Matthäus über seine Autobiografie, seine beruflichen Ziele und das rauer gewordene Trainergeschäft.
Herr Matthäus, Sie haben nach eigenen Worten nie eine Leidenschaft für Bücher entwickelt. Mit welchem Gefühl halten Sie nun ihr eigenes Buch in den Händen?
Matthäus: „Es ist für mich kein Buch, es ist für mich eine Lebensgeschichte. Ich wollte den Leuten mein Leben so darstellen, wie es wirklich war.“
Sie schildern ihre sportlichen und privaten Niederlagen sehr offen. Tat das in der Rückschau noch einmal weh oder haben sie all diese Dinge abgehakt und hinter sich gelassen?
Matthäus: „Ich weiß, dass ich Ecken und Kanten habe und Fehler im Leben gemacht habe, wie jeder andere auch. Dazu stehe ich. Und wie der Titel schon sagt: Ganz oder gar nicht. Wenn ich es ganz schreibe, dann gehören eben auch Scheidungen und Niederlagen dazu.“
Sie haben auch offen über Dinge berichtet, die am Rande geschehen sind. Zum Beispiel bei der Nationalmannschaft.
Matthäus: „Die aber auch jeder mitbekommen hat in der Vergangenheit. Wenn sie auf das Saufgelage bei der WM 1982 eingehen wollen, wusste man das.“
Sie schildern auch kritisch ihr Verhältnis zu anderen Spielern, von denen sie enttäuscht waren. Gab es darauf schon eine Resonanz?
Matthäus: „Natürlich war mein Leben nicht nur von Freunden begleitet, sondern auch von Leuten, die mir Neid entgegengebracht haben. Aber es ist keine Abrechnung. Es ist sehr viel Zeit vergangen und man hat sich mittlerweile das eine oder andere Mal getroffen und ausgesprochen.“
Sie schreiben über die Sehnsucht, endlich ihre Qualitäten als Trainer in der Heimat zeigen zu können. Warum hat es bisher nicht geklappt?
Matthäus: „Ich hatte einige interessante Gespräche in den vergangenen zehn Jahren. Mit Bundesligavereinen, aber auch Clubs aus der 2. Liga. Mal hat es zeitlich nicht gepasst, weil ich woanders unter Vertrag stand, mal hat die Perspektive nicht gepasst. Vielleicht klappt es ja über kurz oder lang. Mein Lebensglück und meine Zufriedenheit hängen nicht davon ab, ob ich mal in Deutschland als Trainer gearbeitet habe. Aber: Ich bin ein Kind der Bundesliga. Für mich wäre es also eine große Herausforderung, meine Trainer-Qualität, die ich im Ausland gezeigt habe, in Deutschland unter Beweis stellen zu können.“
Was wäre für Sie ein interessantes Angebot?
Matthäus: „Erstens kommt es auf den Verein an, in welcher Liga er spielt. Das wichtigste ist es, in welchem Umfeld ich arbeite, und mit welcher Perspektive. Dann kommen die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vereins, in die Mannschaft zu investieren. Was für eine Nachwuchsarbeit hat man. Das sind die Grundvoraussetzungen für mich, um überhaupt intensivere Gespräche aufzunehmen. Ich habe aus der Vergangenheit gelernt. Wenn das Sportliche nicht stimmt, hast du als Trainer keine Chance und es schadet deinem Image.“
Also ist es nicht vorstellbar, dass Sie bei einem unterklassigen Verein unterschreiben, um in Deutschland als Trainer Fuß zu fassen?
Matthäus: „Die Frage irritiert mich und ist für mich leicht beleidigend. Ich habe als Trainer Champions League gespielt und drei Meisterschaften gewonnen. Das weiß man hier in Deutschland gar nicht. Es würde mich reizen, einen Verein aus der 2. Liga in die Bundesliga zu führen, mit Leuten im Umfeld, die den gleichen Weg gehen wollen. Ich werde nicht in der 3. oder 4. Liga anfangen.“
Sie beschreiben die Bundesliga als eigenen Kosmos, in dem etwa 25 Trainer die 18 Jobs unter sich aufteilen.
Matthäus: „Ein Trainer wird entlassen und zwei Tage später unterschreibt er schon beim nächsten Verein. Das ist für den Trainer gut. Ich weiß aber nicht, ob es dem Fußball guttut, wenn immer wieder die gleichen Trainer mit ihrem gleichen Konzept, mit ihrer gleichen Arbeit den Fußball voranbringen möchten. Wenn ein Trainer einen Verein verlässt, dann sollte man ihn in der gleichen Saison nicht mehr in der Bundesliga trainieren lassen. Es riecht einfach nicht gut. Ich weiß nicht, warum der DFB das zulässt. Das sollte man versuchen, zu unterbinden.“
Bruno Labbadia hat sich jüngst heftig über den Umgang mit den Bundesliga-Trainern beschwert. Stimmen Sie seiner Kritik zu?
Matthäus: „Wenn ich sehe, was ich auf die Fresse bekommen habe, sowohl als Spieler als auch als Privatperson, dann kann ich natürlich Bruno Labbadia verstehen. Man darf aber auch nicht dünnhäutig sein. Das Bundesligageschäft ist hart und der Trainer ist eine arme Sau. Eigentlich muss er das höchste Gehalt des gesamten Kaders bekommen. Es kann nicht sein, dass ein Spieler, der zwei Stunden trainiert am Tag, mehr verdient als ein Trainer, der von morgens bis abends über Fußball nachdenken muss, immer in der Verantwortung steht und auf dem Schleudersitz sitzt, der als erstes explodiert. Nach vier Niederlagen ist der Spieler nicht weg, meistens wird der Trainer gefeuert.“
Ist der Job des Trainers angesichts dieser Entwicklung überhaupt noch erstrebenswert?
Matthäus: „Fußball ist eine Passion, ist unser Leben. Es gibt in Deutschland 550 bis 600 arbeitslose Trainer, einige warten seit Jahren auf eine Anstellung. Auch ich habe das Ziel, unter vernünftigen, unter professionellen Voraussetzungen wieder ins Trainergeschäft einzusteigen.“