Nach der Fanrandale in Gladbach: Grenzgänge auf allen Seiten
Das Chaos von Gladbach und zeigt einmal mehr, wie kompliziert das Verhältnis von Vereinen und Ultras ist.
Köln. Wesentlich begleiten den 1. FC Köln drei Ultra-Fangruppierungen: die „Wilde Horde“, die „Boyz“ und die „Coloniacs“. Die „Horde“ hat bis zu 500 Mitglieder — und ist so schwer handhabbar. Einst ausgesprochene Sanktionen gegen diese Gruppe in Form eines Privilegien-Entzugs (Stadion-Räumlichkeiten, Arbeitsausweise) hatte der Kölner Verein 2012 wieder aufgehoben.
Weil die Ultras auch eine Macht haben: Ihre Choreographien und Gesänge werden von den Clubs gerne gesehen — und auch im volkstümlichen Köln bereitwillig vermarktet. Das ist das Problem: Die Vereine zählen auf diese Art von Fankultur, gehen aber mit Macht gegen (viel zu lange gestattete) Straftaten wie das Abbrennen von Pyrotechnik und jene offen ausgelebte Feindschaft zu gegnerischen Anhängern vor — die diese Ultras wiederum als selbstverständlichen Teil ihrer Ausdrucksmöglichkeit sehen.
So bleibt das Verhältnis ambivalent: der eine fühlt sich ausgenutzt, dem anderen begegnet man undankbar. Und: Konsequente Strafen werden vom Verein nur ungern ausgesprochen — und noch zögerlicher umgesetzt. Genau an dieser Stelle aber könnte mit dem am Montag in Köln angekündigten Vorgehen gegen eine einzelne Fangruppe der Paradigmenwechsel greifen.
Sicher auch, weil die „Boyz“ mit 40 Mitgliedern eine handhabbare Gruppe sind, hat sich der 1. FC Köln für Kompromisslosigkeit entschieden. Man wird beobachten müssen, inwiefern die Ankündigungen umgesetzt werden oder doch Lippenbekenntnisse bleiben. Die Geduld von Gesellschaft und vor allem den Polizeigewerkschaften scheint erschöpft.
In einer Zeit, in der das Bundesland Bremen hohe Polizei-Einsatzkosten bei Risikospielen der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Rechnung stellen will, passen immer neue Bilder von maskierten und prügelnden Menschen in Großarenen nicht mehr ins Argumentationsschema derer, die mit Ultra-Gruppierungen an Runden Tischen reden und so präventiv wirken wollen.
„Die Runden Tische sind vorläufig gescheitert, die gewaltbereiten sogenannten Fans werden noch von der Masse geschützt. Dabei gehören hier harte und abschreckende Strafen verhängt“, sagte am Montag Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender NRW der Deutschen Polizeigewerkschaft. Sein Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, forderte angesichts „überforderter Ordner“, das Stadioninnenraumkonzept „zur Not komplett unter polizeiliche Führung“ zu stellen.
Dem allerdings — und das wäre notwendig — würden DFB und DFL kaum zustimmen, weil Verband und Liga-Dachorganisation alle Argumente verlören, sich nicht an Kosten für Polizeieinsätze beteiligen zu müssen. Borussia Mönchengladbach hat sich derweil am Montag hinter seinen vereinseigenen Ordnungsdienst gestellt. Laut Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers habe der DFB die Zusammenarbeit der Gladbacher Ordner mit den Ordnern des Gastvereins am Spieltag als vorbildlich gelobt.
Und dass Pyrotechnik im Kölner Block gelandet sei, könne man kaum verhindern, findet Schippers: „Wir stoßen an rechtliche Grenzen. Dem Ordnungsdienst ist es nicht gestattet, Personen im Intimbereich zu kontrollieren. Wenn man weiß, dass diese Chaoten und Straftäter Pyrotechnik in allen möglichen Körperöffnungen verstecken, kann man nie zu 100 Prozent ausschließen, dass Pyrotechnik ins Stadion gelangt.“ Die Schuldigen seien ganz allein die Straftäter, so Schippers.