„Neue Richtung“ in Frankfurt: Schaafs großer Umbruch
Frankfurt/Main (dpa) - Ein letztes Mal durfte sich Thomas Schaaf wie in alten, vertrauten Zeiten fühlen. Inter Mailand zu Gast, 50 000 Fans im Stadion - das erinnerte den Fußball-Lehrer zumindest ein bisschen an frühere Champions-League-Spiele mit Werder Bremen.
Seit anderthalb Monaten trainiert Schaaf nun aber Eintracht Frankfurt und seitdem hat sich für ihn und seinen neuen Verein vieles, fast alles verändert. Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Ein neuer Trainer versucht einer neuformierten Mannschaft eine neue Spielidee zu vermitteln. Einer Mannschaft obendrein, die gerade vier ihrer wichtigsten Spieler und damit eine komplette Achse verloren hat.
„Wir haben eine neue Richtung aufgenommen. Die ist nichts Verrücktes, soll aber schon etwas anders aussehen“, sagte Schaaf nach dem verdienten 3:1 gegen den Champions-League-Sieger von 2010. Dieser Sieg im letzten Test vor dem DFB-Pokal-Spiel bei Viktoria Berlin war deshalb so wichtig, weil er gegen alle längst aufgekommenen Zweifel an dieser runderneuerten Eintracht anwirkte. „Das gibt uns nochmal eine Bestätigung für den neuen Weg, den wir hier beschreiten“, meinte der 53-Jährige. „Ich bin davon überzeugt, dass das funktionieren wird. Aber wir müssen uns dafür auch die nötige Zeit geben.“
Begonnen hatte der große Umbruch in Frankfurt bereits im März, als Schaafs erfolgreicher Vorgänger ankündigte, den Verein zu verlassen. Nach Armin Veh gingen auch noch zehn Spieler - darunter der Kapitän (Pirmin Schwegler), der einzige deutsche Nationalspieler (Sebastian Jung), der beste Stürmer (Joselu) und ein besonders umworbener Antreiber (Sebastian Rode). Als die zähe Trainersuche nach zwei Monaten mit der Verpflichtung von Schaaf endete, fragten sich viele: Warum tut sich ein früherer Meistermacher diese Rumpftruppe an?
Vielleicht ist es aber auch so, dass dieser tiefe Einschnitt seine Arbeit eher erleichtert als erschwert. Das Bremer Urgestein findet im Frankfurter Kader keine verfestigten Strukturen vor, an denen er erst rütteln muss, alles ist in Bewegung, jeder muss sich neu beweisen. Und so drängen sich auf einmal Spieler auf, denen noch vor wenigen Monaten niemand so recht vertraute. Bamba Anderson ist ein Beispiel, Martin Lanig ein anderes. „Wir sind hier mitten in einem Prozess und einer Entwicklung. Wichtig ist, dass man diese Entwicklung auch sieht“, sagte Lanig. „Wenn wir von dem, was der Trainer will, nicht überzeugt wären, hätten wir gegen Inter nicht gewinnen können.“
Wieviel sich bei der Eintracht verändert, zeigen auch die völlig gegenläufigen Entwicklungen bei Alexander Meier und Takashi Inui. Meier ist ein Denkmal in Frankfurt, seit zehn Jahren im Verein. Gegen Inter fehlte er wegen Knie-Problemen, aber schon vorher zeigte der 31-Jährige große Anpassungsprobleme an den schnellen, schnörkellosen, weniger verspielten Stil, den Schaaf sehen will. Inui wiederum ist mit seiner Leichtfüßigkeit und Technik genau dafür prädestiniert. Nach Monaten auf der Ersatzbank überzeugte der Japaner zuletzt auf Meiers Position im Zentrum und bereitete gegen Inter zwei Tore vor.
Inui oder Meier - das könnte eine der großen Fragen dieser Saison werden. Inui und Meier - auch das hält der Trainer aber nach wie vor für möglich. „Ich hoffe, dass wir es hinkriegen, variabel zu sein und alle Möglichkeiten für uns auszuschöpfen“, meinte Schaaf.
Gerade im Offensivbereich sind diese Möglichkeiten durch die jüngsten Transfers noch einmal größer geworden. Der neue Stürmer Haris Seferovic traf gegen Inter zweimal. Der spielstarke Brasilianer Lucas Piazon war ebenfalls erfolgreich. „Da hat Bruno Hübner klasse Arbeit geleistet“, sagte Schaaf. Auch wenn man diese Arbeit wohl erst in ein paar Monaten genau beurteilen kann.
„Super Stadion, super Fans, super Mannschaft“, meinte auf der einen Seite Seferovic. Vorstandschef Heribert Bruchhagen ist da noch etwas skeptischer: „Ich glaube, wir stehen vor einer schwierigen Saison. Jeder weiß, was so ein Umbruch bedeutet“, sagte er gegenüber „Sky“.