Neuer HSV-Leithammel: Adler in Hierarchie schon oben

Hamburg (dpa) - René Adler ist neu beim Hamburger SV, aber er soll und will sofort Wortführer werden. Ein solcher nämlich fehlt dem Fußball-Bundesligisten. Jemand, der auf dem Rasen den Ton angibt, die anderen mitreißt, sie anpeitscht.

Er selbst ist ehrgeizig ohne Ende, und das verlangt er auch von seinen Nebenleuten. Die Gegentore, die Adler zuletzt beim 2:2 im Testspiel gegen den russischen Erstligisten Terek Grosny kassiert hat, ärgerten ihn gewaltig, wenngleich er schuldlos daran war. Null ist irgendwie seine Lieblingszahl. „Es macht Spaß, Verantwortung zu übernehmen“, sagt der 27-Jährige.

Torleute beanspruchen gern Führungsrollen. Oliver Kahn war ein herausragendes Beispiel, ein anderes Toni Schumacher. Adler muss aber nicht so weit über den Tellerrand schauen, beim HSV hat er einen prominenten Vorläufer: Frank Rost, gebürtiger Sachse wie er selbst. Während sich an Rost aber mancher Mitspieler rieb, und vor allem die Club-Führung in dem Ex-Torhüter wegen dessen schonungslosen Attacken einen Nestbeschmutzer ausgemacht haben wollte, möchte Adler seinen Führungsanspruch auf das Sportliche fokussieren. Verbalangriffe auf Mitspieler will Adler vermeiden.

Sportchef Frank Arnesen sieht in der neuen Nummer eins im Tor ein wichtiges Bindeglied. „Die Spieler waren in der letzten Saison zu ruhig, sie müssen sich coachen und helfen“, beteuert der Däne. Deshalb fordert er „eine gesunde Hierarchie“. Adler soll dabei auf der obersten Stufe stehen. Das meint auch Trainer Thorsten Fink. „Es bringt dich nicht voran, immer nur lieb zu sein.“ Adler werde „nicht aus Aktionismus“ laut, er melde sich aber zu Wort, wenn es nötig sei: „Er ist ein Führungsspieler, ein echter Gewinn“, betont Fink. „René steht in der Hierarchie schon jetzt ganz oben.“

Kapitän aber soll er trotzdem nicht werden. Fink spricht es zwar nicht aus, aber einen Affront gegen Heiko Westermann will er vermeiden. Schließlich ist der Keeper gerade angekommen, da will er ihn den anderen nicht gleich als Chef vorsetzen. Auch Westermann steht in der Hackordnung zweifellos weit oben. Der Mann der klaren und lauten Worte ist er jedoch nicht. „Ich erwarte, dass die Anführer den Mund aufmachen“, fordert Fink.

Seinen Führungsanspruch muss Adler natürlich sportlich unterfüttern. Als Ex-Nationaltorhüter sollte ihm das gelingen, auch wenn er wegen einer Patellasehnenoperation neun Monate zum Zuschauen gezwungen war und ihn bei Bayer Leverkusen Bernd Leno verdrängt hat. Wie er seine Aufgabe versteht, hat er schon in den ersten Testspielen demonstriert: „Durch gezielte Zurufe und Anweisungen kann man gefährliche Angriffe des Gegners schon im Ansatz unterbinden.“

Imponiert hat Adler seinen Teamkollegen derweil schon als Sänger. Wie alle anderen Neuen musste auch der Ex-Auswahltorhüter beim Mannschaftsabend im Österreich-Trainingslager ein Lied vortragen. Während etwa der dänische Youngster Christian Norgaard ein Kinderlied so schlecht interpretierte, dass Sportchef Frank Arnesen („Das gibt eine Geldstrafe“) mit Konsequenzen drohte, vermochte Adler mit seiner Version des Roland-Kaiser-Songs „Dich zu lieben“ zu überzeugen. Nun hoffen alle beim HSV, dass er auch auf dem Platz ein „Hit“ wird.