Interview Peter Stöger: „Alles ist noch zerbrechlich“
Kölns Trainer Peter Stöger über die Entwicklung des Vereins, die Beziehung zu seinen Spielern und Klopps Ende in Dortmund
Köln. Geißbockheim im Grüngürtel, Kölns Trainer Peter Stöger bestellt sich einen Espresso. Ab und an wünscht ein Fan „Viel Glück!“. Dann lächelt der Österreicher, bedankt sich — und redet weiter. Vor allem darüber, wie er seine Art im hektischen Bundesliga-Betrieb beibehalten will. Stöger ist zwei Tage vor dem Start beim VfB Stuttgart am Sonntag (17.30 Uhr) extrem gelassen.
Herr Stöger, gerade hat der Realismus in Köln Einzug gehalten, schon prophezeien die Experten, Köln werde die Überraschungsmannschaft. Das muss Sie doch nerven.
Stöger: Die Frage ist, von wem die Einschätzung kommt. Wir selbst sagen ja auch, dass wir unsere individuelle Klasse erhöht haben. Davon bin ich überzeugt, das waren viele richtige Entscheidungen. Jetzt ist die Frage, wie schnell wir das zusammenführen können. Wir sollten immer ein bisschen Luft zu den letzten Plätzen haben, ein bisschen mehr Kreativität reinbringen. Ob es funktioniert, sieht man dann an den Ergebnissen.
Und noch nicht nach einem Pokalspiel in Meppen.
Stöger: Natürlich nicht. Wir haben das staubtrocken und professionell runtergespielt. Mehr nicht.
Das war aber auch schon mal anders in Köln.
Stöger: Stimmt! Wir müssen schon für uns selbst feststellen, dass unsere Ansprüche auch steigen. Das ist nicht alles böse gemeint.
Wir haben den Eindruck, dass sie zwei Jahre mit ganz bewusster Nüchternheit gegen allen Kölner Größenwahn angearbeitet haben. Waren Sie in Wien eigentlich ganz anders?
Stöger: Beurteilung muss immer nüchtern sein. Das ist ganz wichtig. Die Information an die Spieler braucht hingegen Emotion, Verständnis, Zeichen der Zufriedenheit. Wir zerlegen das sachlich, weil es darum geht, richtige Entscheidungen zu treffen. So war das bei mir immer. Fußball wird mit so viel Emotion begleitet, dass die Sachlichkeit wichtig ist.
Sehen Sie Kollegen, die Ihnen ähnlich und sympathisch sind?
Stöger: Ich versuche, authentisch zu sein und so konzentriert wie möglich. Das fordere ich ja auch von meinen Spielern. Wenn ich dann permanent herumspringe, ist das wenig glaubwürdig. Ganz persönlich freue ich mich, dass mit Ralph Hasenhüttl ein zweiter Österreicher dabei ist.
Mit Ingolstadts Trainer haben Sie selbst zusammengespielt.
Ströger: Und wir beide sind mit unseren Vereinen aufgestiegen, ganz ohne gemachtes Nest. Wir haben bei Austria Wien zusammengespielt. Er hat selbst mal gesagt, er habe sich viel erarbeitet. Ich glaube, da hat er recht (lacht), Ralph war kein Edeltechniker, aber ein wichtiger Spieler. Er hat viel über Arbeit und Konsequenz gemacht. So ein Spielertyp wäre heute sehr gefragt.
Finden Sie die Arbeit leichter in Köln mit ganz neuer Personalauswahl? Oder lebte es sich mit dem Mangel der Anfangszeit auch ruhiger?
Stöger: Es ist super. Aber die Entscheidungen werden nicht leichter, das ist klar. Es wird mir immer schwer fallen, jemandem zu sagen, dass er nicht im Kader ist. Das werde ich auch nicht mehr ablegen können.
Welche Spieler bringen den FC richtig weiter?
Stöger: Wir haben Spieler mit Fantasie geholt. Aber momentan wird mir zu viel über die Neuen gesprochen. Es gibt hier auch Spieler, die lange mit uns gearbeitet und sich weiterentwickelt haben. Dieses gewachsene Herzstück zeichnet uns aus.
Ist es Ihr Anspruch, jeden Spieler besser zu machen? Bei Daniel Halfar sollen Sie sich mit einer SMS entschuldigt haben, dass Ihnen das nicht gelungen sei.
Stöger: Der Trainerjob ist für mich ein Lehrerjob. Die Leute sollten etwas mitnehmen, das ist schon unser Zugang. Aber wenn ich Spieler frage, die gekommen und auch schneller als gewünscht wieder gegangen sind, wird auch mal ein anderes Urteil rauskommen. Bei Halfar hat es diese SMS gegeben, weil ich wegen des Urlaubs keine Zeit mehr für ein Gespräch hatte. Und weil wir leider das Gefühl hatten, nicht alles aus ihm herausgeholt zu haben.
Ist Ihnen wichtig, dass Ihnen niemand böse ist?
Stöger: Mir ist wichtig, dass Spieler nicht sagen: Der ist mir im Weg gestanden, hat mich blockiert und war link.
Spüren Sie, dass sich der Verein gerade entwickelt? Und wann wäre ein Punkt erreicht, an dem Sie sagen: Ich kann hier nichts mehr geben?
Stöger: Da haben wir noch einiges an Zeit vor uns (lacht). Ich nehme hier aus Gesprächen mit, dass sich mit dem neuen Präsidium und den Entscheidungsträgern Vieles in die richtige Richtung entwickelt hat. Das erste Jahr mit meinem Vorgänger Holger Stanislawski war der Beginn. Ich bin schon gekommen, als es dieses Hickhack, dieses alles nach außen tragen gar nicht mehr gab. Die handelnden Personen sind gut, richtig gut. Sie lange zu halten ist wichtig für den Verein. Wir überlegen, wie wir unser Geld sinnvoll ausgeben und zugleich unsere Schulden retour führen. Und es funktioniert trotzdem. Irgendwann wäre es schön, wenn das mit dem Schuldenabbau erledigt wäre. Jetzt weiß ich, dass wir noch ganz viel zu tun haben.
Selbst Jürgen Klopp hat in Dortmund nach sieben Jahren Schluss gemacht.
Stöger: Wenn Jürgen Klopp das mit seiner gefestigten Persönlichkeit nach so einer Zeit entscheidet, dann bedeutet das schon einiges. Ich bin erst zwei Jahre da. Wir sind aufgestiegen, haben die Klasse gehalten, jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht. Wir haben noch viele Stufen vor uns. Vielleicht sagt man einmal: Vier Jahre um Platz elf zu spielen ist auch fad, vielleicht sollte es ein anderer machen, der mehr herausholen kann. Man muss ja nicht immer im Bösen auseinander gehen. Aber ich sehe das bei weitem noch nicht. Es ist alles gut aufgestellt, aber es ist noch sehr zerbrechlich.
Was würde Sie noch reizen?
Stöger: Die Sprache ist für mich ein entscheidender Faktor. Kommunikation und Glaubwürdigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Trainerarbeit. Das reduziert sich dann schnell, Richtung Süden wird es schwierig, England würde ich schaffen. Aber ich habe keine Pläne dieser Art.
Viele wird dieser Tage über die finanziellen Möglichkeiten in der englischen Liga geredet. Beschäftigt Sie das?
Stöger: Wir reden permanent drüber. Aber es ist extrem komplex. Ich glaube: Auch übermäßig viel Kohle garantiert gegen gut aufgestellte Vereine nicht automatisch Erfolg. Für mich als Trainer ändert das eh nichts: Ich hab in Wiener Neustadt mit einer Mannschaft gearbeitet, da hat niemand mehr verdient als 4500 Euro brutto — und ich habe es geliebt. Ich nehme Verdienst nie als Maßstab. Allerdings sage ich auch: Das, was wir jetzt erleben, ist erst der Beginn. Davon bin ich überzeugt.
Der FC könnte sich relativ schnell mit ein zwei guten Verkäufen gen Premier League sanieren. Kalkuliert der Club damit?
Stöger: Der Weg ist ein anderer: Beginnen wir doch mit der Arbeit. Dann kommt die Entwicklung der Spieler und dann fließt auch das Geld für die Spieler und den Verein — und alle sind zufrieden. Das ist unsere Aufgabe als Trainerteam.