Rehhagel, Berger, Frontzeck: Feuerwehrmänner gefragt
Frankfurt/Main (dpa) - Bislang hatte Michael Frontzeck allen Grund, das Phänomen des Feuerwehrmanns auf der Trainerbank mit Skepsis bis Verachtung zu sehen. 2009 wurde er mal einen Spieltag vor Saisonschluss bei Arminia Bielefeld entlassen.
Am Montag engagierte ihn dann Hannover 96 für die letzten fünf Spiele dieser Saison. Die Bereitschaft zu waghalsigen Rettungsaktionen ist in der Fußball- Bundesliga also immer noch da. „Die Aussage: "Die Zeit der Feuerwehrmänner ist vorbei", ist nicht haltbar“, sagt Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer. Oder wie Peter Neururer, ein besonderer Experte auf diesem Gebiet, meint: „Diese Trainer werden heute noch genauso gebraucht wie früher.“
JÖRG BERGER BEI ARMINIA BIELEFELD: Nur fünf Tage arbeitete der Prototyp des Feuerwehrmanns am Ende der Saison 2008/09 für die Arminia. Der damals 64-Jährige übernahm vor dem letzten Spieltag den Job von Michael Frontzeck, schaffte nur ein 2:2 gegen Hannover 96 - und musste nach dem Abstieg wieder gehen. „Je weniger Zeit du als Trainer hast, desto weniger kannst du auch bewegen“, sagte Berger hinterher. Und tatsächlich: 1967 ging ein Trainerwechsel für ein Spiel schon einmal schief. Fritz Pliska wurde bei Rot-Weiß Essen durch Interimscoach Heinz Wewers ersetzt. Doch auch der konnte die 0:1-Niederlage beim VfB Stuttgart und den Abstieg nicht verhindern.
OTTO REHHAGEL BEI HERTHA BSC: Der Medienrummel war selbst für Hauptstadt-Verhältnisse gewaltig: Mit 73 Jahren kehrte Otto Rehhagel im Februar 2012 noch einmal auf den tief verschneiten Trainingsplatz von Hertha BSC zurück, um die Berliner vor dem Abstieg zu retten. Doch das misslang, sein Team scheiterte am Ende in einer denkwürdigen Relegation an Fortuna Düsseldorf. Drei Monate lang hatte der frühere Meistertrainer noch einmal die alten Weisheiten („Clever spielen“) und die ständige Selbstüberhöhung („Ich bin das Gesetz“) bemüht. Doch die neue Generation von Spielern beeindruckte das nicht mehr. Sie verdrehte eher genervt die Augen.
UDO LATTEK BEI BORUSSIA DORTMUND: Für Udo Lattek war es ein spektakuläres Comeback im Alter von 65, für Matthias Sammer die erste Erfahrung als Trainer. Gemeinsam rettete dieses vielleicht gegensätzlichste Trainerduo der Bundesliga-Geschichte den BVB im Jahr 2000 vor dem Abstieg. Acht Punkte holte die Borussia aus den fünf Spielen unter Lattek und Sammer. Zuvor hatte die Mannschaft sechsmal hintereinander verloren. „Udo war schnell. Schnell im Kopf, schnell im Erfassen. Er hatte ein sehr gutes Bauchgefühl“, sagte Sammer später einmal über seinen „Trainervater“. „Er hat mir viele Wege aufgezeigt und mir mein zweites Fußballerleben ermöglicht.“
JUPP HEYNCKES BEI BAYERN MÜNCHEN: Feuerwehrmänner werden nicht nur für den Abstiegskampf geholt. Und manchmal verliert sogar ein Verein wie der große FC Bayern die Nerven. Fünf Wochen vor dem Ende der Saison 2008/09 holten die Münchener den erfahrenen Jupp Heynckes für den nicht ganz so erfahrenen Jürgen Klinsmann. Der Rekordmeister sah nach einer turbulenten Zeit mit dem früheren Bundestrainer die Champions-League-Teilnahme in Gefahr. Heynckes führte die Bayern in nur fünf Spielen auf Platz zwei zurück und brachte sich in der Branche wieder in Erinnerung. Zwei Jahre lang trainierte er Bayer Leverkusen, ehe er 2011 mit großem Erfolg nach München zurückkehrte.
ERNST MIDDENDORP BEI ARMINIA BIELEFELD: Eigentlich steht in jedem Handbuch für Trainerretter: Mannschaft stark reden, Vertrauen herstellen, keine zusätzliche Unruhe schaffen. Doch Ernst Middendorp machte alles ganz anders, als er im März 2007 zum dritten Mal Arminia Bielefeld übernahm. Der „Jahrhundert-Trainer“ des DSC wirbelte jede Woche die Startelf durcheinander und degradierte seine vermeintlich besten Spieler. „Manchmal bin ich schon ein bisschen wahnsinnig“, sagte Middendorp. „Ich bin ein geborener Leader, ein General.“ Anfangs wirkte das, Bielefeld gewann vier der letzten fünf Spiele und rettete sich. Ein halbes Jahr später wurde „Power-Ernst“ entlassen.