Bayer Leverkusen Roger Schmidt steht auf der Kippe
Nach dem peinlichen Auftritt in Hamburg und inzwischen neun Liga-Pleiten wächst in Leverkusen der Zweifel am Trainer. Gegen Frankfurt kann nur ein Sieg die Lage entspannen.
Leverkusen. Kurz bevor am Freitag die routinemäßige Fragestunde des Trainers von Fußball-Bundesligist Bayer 04 Leverkusen vor einem Bundesligaspiel begann, schlich Rudi Völler durch die Gänge des Stadions. Mit einem kurzen Lächeln passierte der Sportdirektor die Menge der Wartenden — und sofort kam die Vermutung auf, dass es in Kürze etwas Besonderes bei der Werkself zu verkünden geben könnte. So etwas wie eine Trainerbeurlaubung zum Beispiel.
Normalerweise lässt sich Völler bei diesem Termin nie sehen. Und: Der Verein befindet sich in einer veritablen sportlichen Krise und droht, alle Saisonziele zu verpassen. Völler blieb der Versammlung dann aber doch fern und es trat wie zuvor angekündigt Trainer Roger Schmidt in den Raum, um Auskunft über die Befindlichkeiten und über die Perspektiven für das Spiel gegen Eintracht Frankfurt zu geben.
Der 49-Jährige hat in diesen Tagen allerdings nur wenig Positives zu verkünden. Nach mittlerweile neun Niederlagen in 19 Bundesligaspielen ist der Alarmierungsgrad im Verein hoch, der internationale Wettbewerb rückt in weitere Ferne. Besonders die jüngste Pleite beim HSV (0:1) in der Vorwoche sorgte bei allen Beteiligten für Entsetzen. Die Leverkusener, die über viele Jahre für attraktiven Offensivfußball und ansehnliche Kombinationen auf dem Rasen standen, brachten es gegen die Hanseaten fertig, sich nicht eine Tormöglichkeit herauszuspielen. Ihr Spiel wirkte ziellos und unkoordiniert.
Das überfallartige Pressing, das Schmidt einst mit an den Rhein brachte und das den sportlichen Erfolg ermöglichen sollte, verwässerte in den vergangenen Wochen von Spiel zu Spiel ohnehin immer mehr. Gegen den HSV war Schmidts taktisches Konzept nicht einmal mehr zu erahnen. „Es gibt hier ein sehr große Erwartungshaltung. Dass es dann auch mal eine schwierige Situation gibt, ist normal“, sagt Schmidt.
Allerdings ist Situation für ihn brisanter, als es der Trainer vermutlich wahrhaben will. Denn derzeit wird nicht mehr über seine oft mühsame Sperrig- und Dickköpfigkeit gesprochen. Und auch Schmidts bisweilen fragwürdiges Benehmen am Spielfeldrand ist nicht mehr Thema. Selbst der aufgeblähte Trainerstab mit immer mehr Spezialisten und der in der Bundesliga einzigartigen Stellenbeschreibung von Jörn Wolf, der Schmidt jüngst an die Seite gestellt wurde, um mögliche interne Konflikte im Vorfeld zu unterbinden, sind derzeit ebenfalls nicht mehr Inhalt der Kommunikation. Vielmehr hat der schlechte Fußball, den Schmidts Mannschaft spielt, sämtliche Randaspekte verdrängt. Die Kernkompetenz ist infrage gestellt.
Es ist nicht die erste Krise, die Schmidt bei den Leverkusenern überstehen muss, deshalb habe er sein persönliches Krisenmanagement bereits zur Hand. „Für mich ist es einfach, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich weiß, was etwas bringt und was nicht“, sagt der Trainer.
Doch ganz so einfach scheint es für Schmidt dieses Mal nicht zu sein. Mittlerweile ist der Zeitpunkt gekommen, an dem selbst der zuletzt stets so treu zu Schmidt stehende Völler ein wenig auf Distanz geht. Die Partie gegen die Eintracht sei „natürlich kein Endspiel“ für den Trainer, sagt Völler. Doch die Zweifel des Sportdirektors sind kaum zu überhören. „Wir hoffen, dass wir die Kurve bekommen und es mit Roger Schmidt noch funktioniert“, sagt der Sportdirektor.
Dass mit Frankfurt-Coach Niko Kovac ein derzeit sehr erfolgreicher Trainer und auch ehemaliger Spieler in die Leverkusener Arena kommt, dürfte Völlers Interesse am Gegner noch erhöhen. Kovac ist mit seiner Eintracht derzeit der Überflieger der Liga und wäre künftig sicher ein Kandidat für den Cheftrainer-Posten unter dem Bayer-Kreuz. Aber noch hat Roger Schmidt alle Krisen in Leverkusen gemeistert. „Ich möchte mich am sportlichen Erfolg messen lassen“, sagt der Bayer-Trainer.