Borussia Dortmund Sperrung der Dortmunder Südtribüne?

Vollsperrung trifft 30 000 — das DFB-Urteil wäre zu hart.

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Dortmund. Die größte und berühmteste Stehplatztribüne Deutschlands — menschenleer während eines Spiels. Keine schwarz-gelbe Wand, kein BVB-Roar. Man kann es sich nicht vorstellen. Aber diese Strafe fordert der Kontrollausschuss des DFB, quasi die Staatsanwaltschaft der Fußballbehörden. Das ist zu hart, meint unser Kommentator.

Bis Montag muss der BVB Borussia Dortmund Stellung nehmen zu dem Antrag des DFB-Kontrollausschusses. Der fordert die Sperrung der gesamten Südtribüne in einem Bundesligaspiel — es wäre vermutlich die Partie am 18. Februar gegen den VfL Wolfsburg — und packt eine Geldstrafe von 100 000 Euro obendrauf. Es ist unwahrscheinlich, dass der BVB das Strafmaß akzeptiert ; er kann es allein schon deshalb nicht, weil er die Interessen der Zigtausenden an den Vorfällen unschuldiger Fans vertreten muss.

Unabhängig davon ist dieses Strafmaß zu hart. Eine Kollektivstrafe, die 30 000 trifft, wenn ein paar Hundert gemeint sind, ist fehl am Platz und heizt die Konfrontation, nicht den Selbstreinigungsprozess an. Es wäre eine Strafe ohne Augenmaß und einen konstruktiven Ansatz, der nach den Reaktionen vom Verein und vor allem von den BVB-Fans durchaus berechtigt wäre.

Mit den gewalttätigen Ausschreitungen vor dem Stadion, als Dortmunder Fußball-Chaoten friedliche Leipziger Fans — darunter Frauen, Kinder und Familien — mit Dosen, Eiern und Steinen bewarfen — hat das Urteil nichts zu tun. Diese Angriffe fallen nicht in die Zuständigkeit des DFB, weil sie außerhalb des Stadion stattfanden. Der Kontrollausschus hat sich ausschließlich mit den Hass-Transparenten und Schmäh-Spruchbändern beschäftigt, die am vergangenen Samstag vor dem Spiel und während des Spiels des BVB gegen RB Leipzig (1:0) auf der Südtribüne gezeigt worden waren.

Nach den sportjuristischen Grundsätzen des DFB ist der Antrag allerdings vertretbar. Der BVB stand unter einer Bewährungsfrist (bis zum 31. Mai 2016), weil Dortmunder Fußball-Chaoten beim Pokalfinale in Berlin Pyros gezündet hatten und es schon bei anderen Spielen einzelne Schmäh-Transparente gab. Für den Wiederholungsfall war eine Sperrung des Unterrangs (also etwa der Hälfte) der Südtribüne angekündigt worden; sie war unumgänglich.

Doch das reicht den Anklägern nicht, um das in dem medialen Trommelwirbel in den letzten Tagen geforderte Zeichen gegen die Gewalt der Worte zu setzen. Die Gegenproteste („Keine Gewalt“) der Dortmunder Fans und die Appelle und Maßnahmen des Clubs und der Mannschaft hätten Anlass sein können, um auf die Heraufsetzung der Strafe zu verzichten.

Folgt das Sportgericht diesem Ansatz, bleibt kein Raum für Steigerungen. Ein solches Urteil kann vor allem bei gemäßigten Fans, die sich innerlich und äußerlich distanziert haben von Hass-Transparenten und Schmäh-Spruchbändern, Enttäuschung, Ärger und Unverständnis auslösen. Und die Voraussetzungen für einen Selbstreinigungsprozess, für den es erste, zarte Ansätze zu geben schien, werden viel schwieriger.

Ganz klar: Eine spürbare Strafe musste sein — eine Strafe, die nach außen als Signal wirkt und nach innen zum Nachdenken und Handeln zwingt, aber den Dialog nicht gefährdet. Denn es waren tatsächliche Transparente zu sehen, die krass beleidigend und verunglimpfend waren, ekelhafte Verstöße gegen Grundregeln menschlicher Umgangsformen. An mehreren Stellen schimmert da eine Neonazi-Ideologie durch, die einem besorgniserregenden Trend in der BVB-Szene entspricht.

Von über 60 Transparenten waren knapp ein Drittel so, dass sie weder durch die Meinungsfreiheit noch durch den etwas rauen Umgangston einer Fankurve gedeckt sind und damit möglicherweise strafrechtliche Relevanz hätten. Das ist schlimm genug und nicht zu rechtfertigen — aber reicht das tatsächlich, um eine für die BVB-Fanszene schlimmstmögliche Höchststrafe zu verhängen?