Slomka stärkt beim HSV das Wir-Gefühl
Hamburg (dpa) - Einzelgespräche, Doppelschichten, gemeinsame Mittagessen: Mirko Slomka hat beim HSV vieles auf den Kopf gestellt. Aus total verunsicherten Einzelkönnern soll beim Bundesliga-Dino schnell wieder eine schlagkräftige Einheit werden.
Auch wenn die zuletzt gezeigten Leistungen kaum Anlass dafür geben, redete Slomka die nach sieben Liga-Pleiten in Serie abstiegsgefährdeten Hanseaten vor dem Gastspiel des übermächtigen Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund stark. „Der BVB hat eine wunderbare Mannschaft, aber wir haben etwas dagegenzusetzen“, betonte er. Und ergänzte cool lächelnd: „Wir sollten nie über Wunder reden. Wenn wir einen oder drei Punkte gegen Dortmund holen, ist es das Ergebnis harter Arbeit.“
Das wäre in der Tat so, denn seit Montag ist der neue Hoffnungsträger mit Feuereifer dabei. Schnell wurde klar, dass gemächliche Einheiten wie unter Vorgänger Bert van Marwijk passé sind. War bisher meist nach 60 Minuten Schluss, wurde nun meist doppelt so lang trainiert. Es wurde gerannt, gegrätscht - und sogar gelacht. „Die Spieler müssen sich den Willen und das Selbstvertrauen selber erarbeiten“, erklärte Slomka, der auch oft unterbrach und korrigierte. Sogar mit gemeinsamen Mahlzeiten will der Coach das Wir-Gefühl im Team stärken. „Auch die Ernährung ist wichtig. Wir haben eine gute Köchin hier, das sollten wir nutzen. Es ist gut, wenn alle hierbleiben und gemeinsam zur Ruhe kommen“, sagte Slomka.
Er hat alle möglichen Schrauben bewegt, nun muss der HSV-Motor nur ins Laufen kommen. Slomka sucht auch den Schulterschluss mit den frustrierten Fans, verspricht ihnen Kampf und Leidenschaft. „Wir wollen ein offensives, konzentriertes Spiel bieten, damit sie merken: „Mensch, hier hat sich was getan““, sagte der als Motivator bekannte Coach. „Der Funke muss vom Feld übergehen auf die Tribüne.“
Nationalspieler Marcell Jansen glaubt, dass der nach Thorsten Fink und van Marwijk bereits dritte HSV-Chefcoach der Saison seinem bei Hannover 96 erworbenen Ruf als Retter auch an der Elbe gerecht werden kann. „Slomka ist ein sehr erfahrener Trainer, das merkt man sofort.“ Der ebenso erfahrene Linksverteidiger weiß, dass der Karren nur gemeinsam aus dem Dreck gezogen werden kann. Jansen: „Zu viele hatten mit sich selbst zu tun. Persönliche Eitelkeiten gilt es zurückzustellen.“ Und räumte freimütig Defizite ein. „Zuletzt waren wir bei intensiven Läufen nicht so aufgestellt wie die Gegner.“
Nun soll rasch alles besser werden, zumal der HSV 2011/12 bereits Erfahrung im Abstiegskampf sammelte. „Da hatten wir schon mal das Messer am Hals, haben es dann aber gut gelöst“, sagte Jansen. Slomkas erster Ansatzpunkt ist die mit 51 Gegentoren schlechteste Defensive der Liga. „Im Abwehrverhalten müssen wir zu Konsequenz zurückfinden“, sagte er und berief mehrere Videositzungen ein. Wahrscheinlich bietet er mit Johan Djourou und dem eigentlich schon aussortierten Slobodan Rajkovic eine ganz neue Innenverteidigung auf und stellt zur Stärkung der Kompaktheit auf ein 4-3-2-1-System um.
Nationalspieler Heiko Westermann, der sich im Donnerstag-Training überraschend nur in der B-Elf wiederfand, könnte dann ins defensive Mittelfeld vorrücken. Entschieden wird erst nach dem Geheimtraining am Freitag. Der HSV spielt zum Gedenken an Hermann Rieger mit Trauerflor. Nach einer Gedenkminute für den am Dienstag verstorbenen Kultmasseur solle sein Team im Sinne des Ur-HSVers die 13-Spiele-Rettungsmission starten. Slomka: „Mehr HSV als er ging nicht. Jeder Gedanke an Hermann sollte uns Kraft für das Dortmund-Spiel geben.“